Wanderung Rothenthurm-Altmatt-Einsiedeln
Die schwarze Madonna im finsteren Wald
Wanderzeit: 2 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - November
Ein seltsamer Flurname plus eine schludrige Aussprache – das genügte bereits, um die Luzerner als Tierquäler zu brandmarken. Dabei pilgerten sie bloss nach Einsiedeln, dem bedeutendsten Wallfahrtsort der Schweiz. Die Wanderung ab Rothenthurm dorthin weist einen Hartbelagsanteil von rund 40% auf.
Detaillierte Routenbeschreibung
Er war adliger Abstammung, doch es zog ihn in die Wildnis und Einsamkeit. Fündig wurde der Benediktinermönch Meinrad in einem abgelegenen Hochtal südlich des Zürichsees. Als «Finsteren Wald» bezeichnete man die Gegend, in die er sich im 9. Jahrhundert zurückzog. Trotz der Abgeschiedenheit seiner Einsiedelei suchten ihn dort Gläubige auf, um ihn um Rat und Beistand zu bitten. Die Gaben, die sie zum Dank hinterliessen, veranlassten zwei Räuber, den Eremiten zu töten. Nach der Sage wurden sie danach von zwei Raben, die ihn stets begleitet hatten, bis nach Zürich verfolgt. Auf diese Weise wurde ihr Verbrechen aufgedeckt, worauf sie der Todesstrafe zugeführt wurden.
Nach Meinrads Tod gründeten seine Ordensbrüder an der Stätte seines Wirkens ein Kloster. Laut einer Legende wurde es nicht von dem dafür zuständigen Bischof geweiht, sondern von Christus selbst und einem Chor von Engeln. Der Ort entwickelte sich aufgrund dieser Kunde schon bald zu einer vielbesuchten Wallfahrtsstätte. Entsprechend mächtig wurde das Kloster. Auch heute gilt es als grösster privater Grundeigentümer der Schweiz. Allein schon die monumentale Klosteranlage mit dem grosszügig dimensionierten Vorplatz zeugt vom wirtschaftlichen Wohlergehen der Abtei.
Das eigentliche Pilgerziel in Einsiedeln ist die Schwarze Madonna, die in der Gnadenkapelle der Klosterkirche untergebracht ist. Es handelt sich um eine knapp 1,2 Meter hohe, in ein prunkvolles Gewand gekleidete Marienfigur. Die aus Lindenholz geschnitzte Statue stammt aus dem 15. Jahrhundert. Sie ersetzte eine romanische Vorgängerfigur, die vermutlich bei einem Brand zerstört worden war. Der dunkle Farbton der Madonna wird auf die jahrhundertelange Einwirkung von Kerzenrauch und Lampenruss zurückgeführt.
Einsiedeln zieht auch heute jedes Jahr mehrere hunderttausend Gläubige an und ist damit der bedeutendste Wallfahrtsort der Schweiz. Menschen aus Spanien, Portugal, Deutschland, Polen und anderen Ländern suchen die «Madonna vom finsteren Wald» auf. Heute reisen viele dieser Pilger oft gruppenweise in Cars an. Früher hingegen gab es keine Alternative zum Fussmarsch: Wer nach Einsiedeln wollte, musste den Weg unter die Füsse nehmen. Die bevorzugte Route aus Richtung Luzern (auch Ob- und Nidwaldner sowie Zuger nutzten sie) führte über den Chatzenstrick, eine Anhöhe zwischen den Hochebenen von Rothenthurm und Einsiedeln.
Der eigenartige Flurname wurde früher auf eine Bauernfamilie zurückgeführt und würde sinngemäss etwa «Landstrich der Kätzi» bedeuten. Heute wird er so interpretiert, dass das Gelände auf der Einsiedler Seite steil abfällt, was beim Begehen die Behändigkeit einer Katze erfordere. Als haltlos hat sich hingegen eine Deutung erwiesen, die unvorteilhaft für die Leute war, die den Übergang früher hauptsächlich nutzten – also die Luzerner. Weil in deren Dialekt vom «Chatzestreck» die Rede ist, nahm man an, sie hätten eine Vorliebe dafür, Katzen zu töten, indem sie diese an Kopf und Schwanz packen und in die Länge ziehen. Die zu Unrecht Verunglimpften haben sich heute mit dieser Zuschreibung versöhnt. Eine Luzerner Confiserie verkauft gar ein Florentinergebäck namens «Chatze-Streckerli».
Westlich des Chatzenstricks liegt die Moorebene von Rothenthurm, ein Gebiet von ausserordentlicher landschaftlicher Schönheit. Die je nach Jahreszeit goldgelb oder rotbraun schimmernden Riedflächen bilden das grösste zusammenhängende Hochmoor der Schweiz. Nachdem dort ein militärischer Waffenplatz geplant war, wurde die Moorlandschaft 1987 per Volksabstimmung unter Schutz gestellt.
Kiessträsschen und Naturpfade durchziehen das Moorgebiet. Manche Wege sind im Frühling und Frühsommer zum Schutz der im Gebiet brütenden Vögel gesperrt. Wer auf dem Wanderweg von Rothenthurm zur Altmatt unterwegs ist, muss deshalb je nach Jahreszeit unter Umständen die eine oder andere Umleitung in Kauf nehmen. Dem Genuss der weitgehend unberührten Moorlandschaft tut dies keinen Abbruch.
Von der Bahnstation Altmatt an (der Wegweiser dort ist mit «Dritte Altmatt» beschriftet) geht es für eine kurze Zeit auf Asphalt sanft bergan. Bei der Pension Schlüssel geht der Hartbelag bereits wieder in Schotter über. Sanft ansteigend zieht sich das Kiessträsschen den Hang hoch. Als Wanderer muss man sich hier zuweilen etwas vorsehen – der Pilgerweg ist heute eine beliebte Veloroute.
Auf dem Chatzenstrick geniesst man eine Art Pass-Erlebnis: Der höchste Punkt der Tour bietet eine schöne Aussicht zur Talebene von Einsiedeln, zu den umliegenden Gipfeln der Schwyzer Alpen und zum Glärnisch. Mit diesem eindrücklichen Panorama vor Augen leitet man den Abstieg nach Einsiedeln ein. Er verläuft zunächst sanft auf der Strasse, doch schon nach 200 Metern lässt man den Auto- und Veloverkehr hinter sich und schwenkt auf einen dem Fussverkehr vorbehaltenen Pfad ein. Jetzt öffnet sich auch die Sicht zu den beiden markanten Türmen der Einsiedler Klosterkirche.
Steil durch Weideland und Wald geht es gegen die Ebene hinunter, wo der schmale Weg wieder in die Strasse mündet. Nun durchwegs auf Asphalt geht es am Spital vorüber und über das Flüsschen Alp hinweg ins Zentrum von Einsiedeln, das architektonisch vom Klosterkomplex dominiert wird.