Wanderung Männlichen - Kleine Scheidegg
Ein Panorama im Goldenen Schnitt
Wanderzeit: 1 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Juni - Oktober
Die Wanderung vom Männlichen auf die Kleine Scheidegg verläuft vor berückend schöner Kulisse: Eiger, Mönch und Jungfrau bilden ein höchst harmonisches Ensemble. Weil sich ihre Gipfel hier in einem speziellen Winkel zeigen, werden sie als besonders ausgewogen wahrgenommen. Durchwegs Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Was hat die Gipfelkette von Eiger, Mönch und Jungfrau mit dem Parthenon in Athen gemeinsam? Auf den ersten Blick natürlich nichts. Bei näherem Hinsehen offenbart sich aber eine frappante Übereinstimmung in den Proportionen bestimmter Elemente untereinander.
Beim Tempel auf der Akropolis stehen die Höhe der Säulen und des Frieses sowie die Gesamthöhe des Tempels in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Es ist exakt dasselbe Verhältnis, in dem die Spitzen von Eiger, Mönch und Jungfrau voneinander entfernt sind. Die drei Berggipfel stehen jedoch nicht etwa genau gleich weit auseinander. Der Abstand vom Eigergipfel zum Mönchsgipfel (nennen wir ihn A) ist vielmehr deutlich kleiner als der vom Mönchsgipfel zum Gipfel der Jungfrau (B). Das Besondere an diesen Abständen: In ihnen ist ein seltsames Gleichgewicht verborgen. Teilt man nämlich A durch B, so ergibt sich exakt der gleiche Wert, wie wenn B durch die Summe von A und B geteilt wird. Goldener Schnitt nennt man dieses Phänomen.
Objekte, die im Goldenen Schnitt proportioniert sind, galten schon bei den alten Griechen als Inbegriff von Harmonie. Baumeister und Künstler sind seit Jahrhunderten bestrebt, solche ausgeglichenen Streckenverhältnisse in Architektur und Malerei einzusetzen. In der Fotografie wird der Goldene Schnitt im Dienste einer ästhetischen Bildkomposition verwendet.
Auch in der Natur treten solch ausgewogene Proportionen auf, beispielsweise bei der Anordnung der Blütenblätter von Sonnenblumen und anderen Pflanzen. Es wird vermutet, dass die Gewächse dadurch das Sonnenlicht optimal ausnutzen können. Die harmonische Anordnung von Eiger, Mönch und Jungfrau hingegen dient natürlich keinem bestimmten Zweck. Sie ist bloss eine Laune der Natur. Indessen hängt es vom Standort der beobachtenden Person ab, ob die Proportionen tatsächlich stimmen. Betrachtet man die bekannte Berner Oberländer Gipfelkette nämlich aus eher seitlicher Perspektive oder aus grosser Distanz, dann entsprechen die Abstände der einzelnen Bergspitzen voneinander nicht mehr dem Goldenen Schnitt.
Als schlichtweg perfekt gilt die Harmonie vom Gipfel des Männlichen aus. Hier bietet sich eine Rundsicht der Extraklasse: Im Norden schweift der Blick vom Thunersee über das Niederhorn bis zur Schrattenfluh, im Osten zeigt sich das Tal von Grindelwald in seiner ganzen Weite, und im Westen präsentiert sich das Lauterbrunnental aus der Vogelschau. Höhepunkt des Panoramas ist die wundervoll harmonische Gipfelkette im Süden. Für die beliebte Wanderung auf dem Höhenweg vom Männlichen auf die Kleine Scheidegg bildet sie eine überaus eindrückliche Kulisse.
Bevor man sie in Angriff nimmt, lohnt es sich, von der Seilbahn-Bergstation den rund 20-minütigen Abstecher auf den Männlichen-Gipfel zu unternehmen. Der Berg weist zwei völlig unterschiedliche Gesichter auf. Aus dem Tal von Grindelwald erscheint er als sanft aufsteigende, grüne Anhöhe. Auf saftigen Alpweiden grasen hier im Sommer unzählige Kühe; im Winter ziehen Skifahrer und Snowboarder auf breiten Pisten mit eleganten Schwüngen talwärts. Ganz anders zeigt sich der Männlichen von der Lauterbrunner Seite. Seine Westflanke ist weder für Alpwirtschaft noch für Wintersport geeignet. Karge Grashalden und schroffe Felspartien fallen hier steil ins Tal ab.
Nachdem man von der Aussichtsplattform das Panorama ausgiebig genossen hat, kehrt man zur Seilbahnstation zurück und wandert von dort auf dem Höhenweg taleinwärts. Der durchwegs breite Wanderweg zieht sich meist in leichtem Abstieg dahin; zwischendurch sind einige kurze und leichte Gegensteigungen zu bewältigen. Die Route verläuft zunächst der Ostseite des Tschuggens entlang. Voraus liegt die gewaltige Pyramide des Eigers.
Nach einer Weile wird das Trassee der Honegg-Sesselbahn unterquert; die Anlage dient ausschliesslich dem Wintersport und ist im Sommer daher nicht in Betrieb. Anschliessend beschreibt der Weg eine grosszügige Rechtskurve und führt zum Inberg, einem weiten Kessel in der Flanke des Lauberhorns. Am Horizont rücken nun auch wieder Mönch und Jungfrau ins Blickfeld. Am Aussichtspunkt Rotstöckli vorüber gelangt man auf die Kleine Scheidegg, das Ziel der Wanderung.