Wanderung Cugy - Bois du Jorat - Lausanne
Waldbaden am Jorat
Wanderzeit: 4 h
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Wenn der Abt des Klosters Montheron seinen Vorgesetzten, den Bischof von Lausanne, besuchen wollte, führte ihn der Weg durch den Bois du Jorat. Längst ist das Kloster aufgehoben und die Lausanner Kathedrale reformiert, doch die Verbindung durch den ausgedehnten Wald ist noch immer eindrücklich. Die Wanderung verläuft überwiegend auf Natursträsschen.
Detaillierte Routenbeschreibung
Im Hinterland von Lausanne liegt das Hügelland des Jorat. In der Bezeichnung steckt ebenso wie im Begriff Jura ein altes keltisches Wort für Wald. Die Gegend ist grossflächig bewaldet, dünn besiedelt, entsprechend einsam und daher gut geeignet, um Einkehr zu halten. Mehr noch als heute galt dies im Mittelalter, als immer wieder Pilgerscharen durch den Jorat zogen. Ihr Ziel war die Kathedrale von Lausanne, die damals ein weitherum verehrtes Marienbild barg und deshalb ein bedeutendes Wallfahrtsziel war.
Die Reformation hat dem Marienkult den Garaus gemacht. Im Zeichen des neuen Glaubens wurde das Marienbild beseitigt. Heute steht eine Kopie davon in der katholischen Pfarrkirche von Lausanne. Für eine andere Form des Pilgerwesens ist die nun reformierte Kathedrale gleichwohl bedeutend: Lausanne ist ein Etappenort des Jakobswegs.
Nochmals eine andere Form der Einkehr bietet die Wanderung, die ab Cugy in die Waadtländer Kantonshauptstadt führt. Sie folgt zunächst dem Flüsschen Talent. Anfänglich geht es auf schmalen Pfaden direkt dem Wasserlauf entlang, später dann auf einem Strässchen etwas weiter weg vom Ufer zum Weiler La Râpe (der auf etwas undurchschaubare Weise mit einem Rufbus erreichbar wäre). Weiterhin auf Asphalt gelangt man zur ehemaligen Zisterzienserabtei von Montheron. Das Kloster wurde Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet, 1536 nach der Eroberung der Waadt durch Bern säkularisiert und später teilweise abgebrochen, während die einstige Klosterkirche umgebaut und fortan als reformiertes Gotteshaus genutzt wurde. Weltlicher Einkehr dient die benachbarte «Auberge de L’Abbaye de Montheron», die von einschlägigen Gastronomieführern kräftig bepunktet worden ist.
Ab Montheron gibt es zwei Möglichkeiten, um nach Lausanne zu gelangen. Direkt und damit kürzer ist die Route via Chalet des Enfants. Wer hingegen den Weg einschlägt, der weiterhin dem Talent folgt, entscheidet sich für eine Schlaufe, die weit ausholend durch den Bois du Jorat führt. Das bedeutet konkret: Die folgenden zweieinhalb Stunden marschiert man im Wald, und zwar mehrheitlich auf Kiessträsschen. Das mag zumindest anfänglich etwas monoton sein, entwickelt sich aber zusehends zu einem beschaulichen Gang durch ein grünes Meer, in dem ausser Vogelzwitschern und Insektensummen kaum etwas zu hören ist.
Shinrin Yoku (Waldbaden), so nennt man in Japan dieses geradezu meditative Eintauchen ins Gehölz. Im Jorat kann man ihm ausgiebig frönen. Was heute ein unbeschwertes Vergnügen ist, war vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert allerdings höchst gefährlich, denn damals hausten in den Wäldern des Jorat Räuberbanden, die immer wieder Überfälle auf Reisende verübten.
Auf dem Chemin des fontaines gelangt man in kaum merklichem, aber kontinuierlichem Anstieg zur Fontaine des Côtes. Hinter dem Brunnen befindet sich eine Waldhütte mit Feuerstelle und gedeckten Sitzplätzen. Bei allen nun folgenden Verzweigungen und Wegkreuzungen hält man sich an die Route, die Richtung Lausanne/Tunnel signalisiert ist. Sie führt über Les Buchilles und La Clochatte zum Wasserlauf des Flon nahe Epalinges.
Das Ende des Waldvergnügens kündet sich mit vorerst diskretem Rauschen an. Unvermutet steht man vor einem himmelhohen Autobahnviadukt, den es neben einer unansehnlichen Kehrichtdeponie mittels Aufstiegs auf einer steilen Höllentreppe zu unterqueren gilt. Lärm und Abgase lässt man glücklicherweise schon bald wieder hinter sich. Durch das Waldreservat Vieux Chênes (seinem Namen gemäss weist es zahlreiche alte Eichenbäume auf) geht es zum Lac de Sauvabelin. Hinter dem am Ufer des Teichs liegenden Restaurant gibt es einen grossen Spielplatz, unweit davon steht die 35 Meter hohe Tour de Sauvabelin. Die Aussichtsplattform bietet einen prächtigen Ausblick zum Genfersee und in die Savoyer Alpen.
Mässig steil geht es hinunter zur Altstadt von Lausanne, wo an erhöhter Lage die Kathedrale steht. Ein Besuch der Kirche offenbart eine kleine Überraschung: Auf der Westseite des Chors gibt es eine Chapelle de la Vierge (Jungfrauenkapelle). Es handelt sich um einen schummrig beleuchteten Nebenraum des Hauptschiffs. In dessen Hintergrund steht in einer düsteren Nische ein roher Altar. An dieser maximal verborgenen Stelle ist ein für protestantische Verhältnisse exotisches Objekt platziert, nämlich eine kleine Marienstatuette.
Durch die Gassen der Altstadt setzt sich der Abstieg bis zum Bahnhof von Lausanne fort.