Wanderung Col du Grand-St-Bernard – Pas des Chevaux
Auf dem Pferdeweg durch die Combe de Drône
Wanderzeit: 4 h
Schwierigkeitsgrad: T3 Anspruchsvolles Bergwandern *
Saison: Juli - November
Einer der traditionsreichsten Alpenübergänge ist der Grosse St. Bernhard. Der Schlussaufstieg aus dem Val d’Entremont auf die Passhöhe ist die Königsetappe der Via Francigena. Der Abschnitt lässt sich gut kombinieren mit einem Abstecher ins benachbarte Hochtal Combe de Drône. Abgesehen von einem kurzen Asphaltabschnitt am Col du Grand-St-Bernard verläuft die Wanderung durchwegs auf Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Im hier vorgeschlagenen Sinn startet diese Tour mit einem Abstieg. Das ist für eine Bergwanderung natürlich etwas unorthodox. Wer das nicht möchte und über ein Auto verfügt, hat die Möglichkeit, bis L’Hospitalet zu fahren und das Fahrzeug dort zu parkieren. Diese Anpassung ist eigentlich auch bei der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich, denn bei L’Hospitalet gibt es eine Bushaltestelle. Nur muss man dort nach Abschluss der Wanderung möglicherweise längere Zeit auf den nächsten Bus warten, denn der Fahrplan im Val d’Entremont ist relativ lückenhaft. Daher empfiehlt es sich, die Wanderung auf dem Col du Grand-St-Bernard zu beginnen.
Der Übergang wurde schon in vorchristlicher Zeit genutzt. Die Passhöhe ist zwar mehrere hundert Meter höher als jene von Gotthard oder Simplon, doch dieser Nachteil wird durch den Umstand aufgewogen, dass der Zugang frei von gefährlichen Schluchtpassagen ist. Auf dem alten Säumerweg steigt man zunächst ins Tal der Dranse d’Entremont ab.
Dieser Abschnitt gilt als Kernstück der Via Francigena. Mit der Bezeichnung «Frankenweg» werden alte Fernstrassen attribuiert, die schon im Mittelalter von Pilgern auf ihrem Weg von England über das heutige Frankreich nach Rom begangen wurden. Der bekannteste dieser Wallfahrer war der Erzbischof Sigerich von Canterbury, der im Jahr 990 nach Rom zog und darüber einen schriftlichen Reisebericht verfasste.
Der Abstieg durch die Combe des Morts verläuft meist nur mässig steil, einzig nach der Wegverzweigung bei Pkt. 2290 nimmt das Gefälle vorübergehend stark zu. Unterhalb der Bushaltestelle L’Hospitalet überquert man die Passstrasse, etwas später die Dranse. Zur Alphütte La Pierre geht es vorerst sanft aufwärts, danach wird der Weg steiler.
Im Tal des Torrent de Drône fehlen jegliche Zeichen der Zivilisation. Hier gibt es weder Gebäude noch Strassen, sondern bloss Kühe, und auch das nur im Sommer. Der unverbaute Bergbach mäandert frei durch den Talboden. Bei Pkt. 2409 markiert ein grosser Felsblock mit aufgeschraubten Wanderwegschildern die Wegverzweigung. Gegen Norden ginge es über den Col du Bastillon ins Val Ferret, gegen Süden gelangt man über den Pas des Chevaux zum Grossen St. Bernhard. Die Verbindung zwischen den beiden Übergängen wird noch heute Chemin des Chevaux genannt. Sie wurde früher genutzt, um das Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard per Pferdetransport mit Holz aus dem Val Ferret zu versorgen.
Der Weg zieht sich vorerst nur leicht aufsteigend durch die Flanke der Pointe de Drône. Nach der Durchquerung eines steinschlaggefährdeten Couloirs wird es dann so richtig steil und anstrengend. In vielen Kehren windet sich der schmale und steinige Pfad in die Höhe. Das Gelände ist stellenweise abschüssig, doch das Trassee ist nirgends auf heikle Weise ausgesetzt. Erfahrenen Bergwandernden bietet der Aufstieg daher kaum Schwierigkeiten.
Kulminationspunkt der Tour ist der Pas des Chevaux. Früher wurde der Übergang Col des Chevaux genannt, so steht es auch heute noch auf dem Wegweiser auf der Passhöhe. Nach dem anstrengenden Aufstieg hat man sich eine Rast auf dem breiten Geländesattel verdient. Die Aussicht ist eindrücklich: Nach Norden überblickt man die Combe de Drône, die von den Monts Telliers und den Dents du Grand Lé umgrenzt wird; in einer Mulde an deren Flanke erstreckt sich der Bergsee Grand Lé – eines der wenigen stehenden Gewässer der Region, die nicht für die Stromproduktion genutzt werden. Westlich davon zeigt sich der gletschergesäumte Mont Dolent, der mit seinen Nachbargipfeln zusammen Teil des Mont-Blanc-Massivs ist. Gegen Süden überblickt man die vom Mont Mort und der Pointe de Barasson gesäumte Combe de Barasson; dahinter sind mehrere Gipfel auszumachen, die das Aostatal auf dessen Südseite umgeben.
Der Abstieg von der Passhöhe ist spürbar weniger steil als der Aufstieg, zumal er nicht auf vegetationslosem Terrain, sondern zum grösseren Teil auf Grasflächen verläuft; zwischendurch werden aber auch hier felsige Partien durchquert. Nachdem man zum Ausgangspunkt Col du Grand-St-Bernard zurückgekehrt ist, empfiehlt sich ein Rundgang um den kleinen See, der in einer Mulde auf der Passhöhe liegt. Auf beiden Seiten der Landesgrenze stehen zum Einkehren Restaurants zur Verfügung; italienische Küche ist daher mit einigen wenigen Schritten erreichbar.