Wanderung Eischoll-Unterbäch
Lichtblumen auf dem «Frauenrütli»
Wanderzeit: 2 h 25 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: März - November
Die Lichtblume ist ein untrüglicher Frühlingsbote. In der Schweiz kommt sie einzig im Wallis vor. Die grössten Bestände gibt es in Eischoll. Auf einer Wanderung ins Nachbardorf Unterbäch begegnet man den violetten Blüten zu Tausenden. Hartbelag gibt es auf dieser Wanderung nur zu Beginn und am Ende auf jeweils wenigen hundert Metern.
Detaillierte Routenbeschreibung
In der katholischen Kirche endet die Weihnachtszeit nicht etwa an Weihnachten, sondern am Sonntag nach dem Dreikönigstag. Das wird aber erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil so gehandhabt. Vor den 1960er-Jahren verräumte man die Krippen und den Christbaum erst am 2. Februar, dem 40. Tag nach Weihnachten. Noch heute wird an diesem Tag zugleich die sogenannte Lichtmess gefeiert, indem in den Kirchen die Kerzen für das neue Jahr geweiht werden.
Neben dem Kerzenlicht spielt zu dieser Jahreszeit auch das natürliche Licht eine wichtige Rolle, denn gegenüber den dunkelsten Zeiten des Jahres sind die Tage bereits wieder spürbar länger geworden. Ein anderes deutliches Zeichen für den nahenden Frühling ist eine Pflanze, die in tieferen Lagen just Anfang Februar zu blühen beginnt und die deshalb Lichtmessblume oder Lichtblume genannt wird.
Lichtblumen kommen in verschiedenen Gebieten Europas vor, gehäuft auch im Kanton Wallis, sonst jedoch nirgends in der Schweiz. Man findet sie unter anderem in der Nähe von Martigny und im Turtmanntal. Die grössten Bestände aber gibt es in Eischoll. Das Bergdorf bezeichnet sich deshalb stolz als «Heimat der Lichtblume». Kurioserweise nahm man dort früher an, bei den Blüten handle es sich um Krokusse, wie sie auch andernorts vom Frühling künden. Erst in den 1990er-Jahren erkannte ein Botaniker, dass es sich um eine ganz andere Pflanzenart handelt. Im Unterschied zu den Krokussen, die ein Schwertliliengewächs sind, gehören die etwas grösseren Lichtblume zur Familie der Zeitlosen und sind damit nahe Verwandte der Herbstzeitlosen.
In Eischoll blühen die Lichtblumen aufgrund der Höhenlage meist erst im März, dann aber zu Tausenden: Während das Gras an den Hängen rund um das Dorf noch ganz saft- und kraftlos wirkt, recken sich zwischen den bräunlichen Büscheln bereits zahllose leuchtend violette Blumen der Sonne entgegen. Am schönsten ist der Anblick, wenn auf den Wiesen und Weiden noch Schneereste liegen, die von den vitalen Blütenköpfen durchstossen werden.
Ein Rundweg führt zu den Hängen oberhalb des Dorfs, an denen die Lichtblumen besonders häufig vorkommen. Die Wanderung auf der als Lichtblumenweg ausgeschilderten Strecke dauert nicht einmal anderthalb Stunden, ist also eher ein Spaziergang. Wer etwas länger unterwegs sein möchte, baut die Runde zu einer kleinen Tour aus, die ins Nachbardorf Unterbäch führt.
Schmucke Wohnhäuser in traditioneller Blockbauweise sowie kleine Speicher, die auf Mäuseplatten aus Granit ruhen, prägen den historischen Dorfkern von Eischoll. Von dort führt der Lichtblumenweg sanft aufsteigend an den westlichen Dorfrand und weiter ins Gebiet Habere, wendet sich dann in einer scharfen Linkskurve gegen Südosten und folgt dem Wasserlauf der Alten Eischlersuon bis zur Wegverzweigung beim Weiler Breitmattu. Dabei weitet sich das Panorama zusehends: Bereits bei Habere erblickt man das Bietschorn auf der gegenüberliegenden Seite des Rhonetals, später öffnet sich die Sicht nach Unterbäch und Bürchen, über denen die Gipfel des Simplongebiets und des Goms im Sonnenlicht gleissen. Je nach Witterungsverhältnissen und Schneelage spriessen hier im Frühjahr unzählige Lichtblumen aus dem Boden.
Ein kurzer Abstieg führt nach Pfammatte, danach geht es in einen märchenhaft schönen Wald mit vielen Lärchen und einzelnen eingestreuten Arven. Für kurze Zeit steigt man auf einem schmalen Pfad steil aufwärts, bis man nahe des Gebiets Friji Stüde den höchsten Punkt der Wanderung erreicht. Der seltsame Flurname geht nach der Legende auf eine eigenartige Gerichtspraxis aus dem Mittelalter zurück. Einige hundert Meter entfernt und fünfzig Höhenmeter tiefer liegt der Weiler Holz, wo einst ein Galgen gestanden haben soll. Wurde eine Person zum Strang verurteilt, so gab man ihr Gelegenheit, vor dem Tod davonzurennen. Schaffte sie es bis Friji Stüde, dann galt sie als frei und man liess sie laufen. Gelang es aber dem Scharfrichter, sie vorher einzuholen, dann wurde sie gehängt.
In Holz erinnert heute nichts mehr an solch grausame Gebräuche. Der Weiler ist mittlerweile nicht mehr ständig bewohnt. Er umfasst neben ein paar wenigen Häusern eine hübsche kleine Kapelle, die dem heiligen Bartholomäus geweiht ist. Der Blick vom etwas unterhalb davon stehenden Kruzifix ins Tal zeigt einem bereits das Ziel der Wanderung, den Dorfkern von Unterbäch. Nun fast durchwegs wieder über offenes Gelände steigt man dorthin ab.
Die Route verläuft hier auf dem Frauen-Zitatenweg. Ihn säumen Tafeln mit prägnanten Aussagen von Schriftstellerinnen, Philosophinnen und anderen bekannten Frauen. Die Zitate sollen nicht nur zum Nachdenken anregen, sondern auch daran erinnern, dass Unterbäch bei der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz eine ungewöhnliche Rolle spielte. 1957 hatte die Stimmbevölkerung über ein Gesetz zum Zivilschutz zu befinden. Darin wurde festgelegt, dass der Schutzdienst auch für Frauen obligatorisch sei. Stimmberechtigt waren damals (und noch bis 1971) jedoch nur Männer. Die Diskrepanz zwischen Rechten und Pflichten fand man in Unterbäch so ungebührlich, dass man sich entschied, in dieser Frage die Frauen mitentscheiden zu lassen.
Das Vorhaben löste einen veritablen Politskandal aus, an dessen Ende die Gemeinderäte sogar vor den Regierungsrat zitiert wurden. Man behalf sich mit einem Kompromiss: Die Unterbächnerinnen durften sich an der Abstimmung beteiligen, mussten den Stimmzettel aber in eine separate Urne einlegen. Damit war den rechtsstaatlichen Vorgaben Genüge getan. Dennoch konnten an diesem Tag in der Schweiz erstmals auch Frauen bei einer Volksabstimmung mitwirken. Dank dieser Pionierrolle wird Unterbäch auch heute noch als «Rütli der Schweizer Frauen» bezeichnet. Die Zivilschutzvorlage wurde übrigens landesweit deutlich abgelehnt.