Winterwanderung Saas-Almagell - Mattmark
Schatten der Geschichte im Tal der Wintersonne
Wanderzeit: 4 h 25 min
Schwierigkeitsgrad: W Winterwandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Der hinterste Teil des Tals der Saaser Vispa gehört im Winter ganz den Wanderern. Von Saas-Almagell führt ein gepfadeter Winterwanderweg hinauf zum Mattmark-Stausee. Für die Rückkehr empfiehlt sich zumindest im oberen Teil eine Abfahrt mit Schlitten.
Detaillierte Routenbeschreibung
Das Winterwandern in manchen grossen Skigebieten ist eine zwiespältige Angelegenheit. Die Zielgruppe «Wanderer» wird dort als ökonomisch vernachlässigbar eingestuft (was im Vergleich zum einträglichen Massengeschäft mit den Skifahrern wohl nicht ganz abseitig ist), entsprechend dünn ist dort das Angebot für sie. Ein typisches Beispiel dafür zeigt sich im Saastal. Pflichtgemäss hat man in Saas-Fee einen Winterwanderweg ausgeschildert, der auch auf SchweizMobil figuriert, also eigentlich überdurchschnittlich attraktiv sein sollte. Die Route von Saas-Almagell hinauf nach Saas-Fee verläuft allerdings fast durchwegs im Wald und bietet entsprechend kaum Aussicht. Einzig beim Restaurant Bodmen, das man nach etwa 45 Minuten und damit nach rund drei Vierteln der kurzen Tour erreicht, öffnet sich die Sicht etwas; man überblickt dort Saas-Grund und das Tal der Saaser Vispa. Umso unansehnlicher ist der Anblick, der sich wenige Minuten später mit den Betonburgen eines Parkhauses und einer Seilbahnstation bietet. Immerhin ist die auf einem breiten Waldsträsschen verlaufende Route recht schneesicher, da sie durch einen Nordosthang führt.
In Saas-Almagell gibt es glücklicherweise noch einen zweiten Winterwanderweg, und dieser hat einen ganz anderen Charakter. Die Tour verläuft auf der im Winter verkehrsfreien und meist schneebedeckten Strasse, die das Dorf mit dem Stausee Mattmark verbindet. Die Strecke ist in einem Tal angelegt, das beidseits von hohen Bergen umgeben ist und ziemlich genau in Nord-Süd-Richtung verläuft. Das bedeutet, dass im Winter zwar auch an den kürzesten Tagen mit Sonnenschein gerechnet werden kann, dieser aber nicht von langer Dauer ist. Bei dieser Winterwanderung empfiehlt es sich deshalb, sie erst ab Februar zu unternehmen. Zudem lohnt es sich, am Vormittag zu starten; bricht man erst nach dem Mittag auf, dann verbringt man den grösseren Teil der Tour im Schatten.
In der unteren Hälfte bis zur Eienalp steigt der Weg meist nur bescheiden an. Bei der gleichnamigen (nur im Sommer bedienten) Postautohaltestelle stehen vor einer kleinen Hütte Sitzbänke für eine Rast zur Verfügung. Danach nimmt die Steigung spürbar zu. In etlichen Kehren windet sich die Route das Tal hinauf. Auf dem Rückweg eignet sich diese zweite Hälfte der Strecke gut für eine Schlittenabfahrt.
Im Verlauf des Aufstiegs zeichnet sich deutlich die Staumauer Mattmark ab, die als Querriegel das Tal abschliesst. Die Mauerkrone ist Ziel bzw. Wendepunkt der Winterwanderung. Von dort öffnet sich eine eindrückliche Aussicht über den zugefrorenen Stausee hinweg in den hintersten Teil des Tals der Saaser Vispa. Der Monte Moro schliesst den Einschnitt gegen Süden ab; der Gipfel liegt auf der schweizerisch-italienischen Landesgrenze.
Mit dem Stausee ist ein trauriges und unrühmliches Kapitel der jüngsten Schweizer Geschichte verbunden. Während des Baus ereignete sich beim höher oben liegenden Allalingletscher ein gewaltiger Abbruch. Die Eislawine verschüttete ein Barackendorf mit Unterkünften der Bauarbeiter. 88 Menschen kamen ums Leben; die Mehrheit von ihnen waren Gastarbeiter aus Italien. Obwohl in dem Gebiet seit Jahrhunderten immer wieder Gletscherabbrüche registriert worden waren, hatte man die Unterkünfte direkt unterhalb des Gletschers platziert. Im Rahmen der juristischen Beurteilung des Unglücks stellten sich die Vertreter der Bauherrschaft auf den Standpunkt, deren Handeln könne nicht als verantwortungslos eingestuft werden, da es sich um eine Naturkatastrophe handle, die niemand habe vorhersehen können. Das Gericht folgte dieser Argumentation, sprach sämtliche Angeklagten frei und auferlegte obendrein den Angehörigen der Opfer die Hälfte der Verfahrenskosten. Die Aufarbeitung des Unglücks wird deshalb heute mitunter als «Schande von Mattmark» beurteilt.