Wanderung Evolène - Ferpècle - Les Haudères
Am wilden Schlusspunkt des Val d’Hérens
Wanderzeit: 5 h 40 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Juni - Oktober
In Ferpècle kommt das Val d’Hérens zu seiner krönenden Vollendung. Wuchtige Drei- und Viertausender, von deren Flanken mächtige Gletscher züngeln, umgeben das Hochtal. Eine Strasse stösst weit in den Einschnitt vor, doch es lohnt sich, den grandiosen Talabschluss zu Fuss aufzusuchen. Die Wanderung verläuft überwiegend auf Naturwegen.
Detaillierte Routenbeschreibung
Anders als in der Deutschschweiz fristen die Dialekte in der französischsprachigen Schweiz heute nur noch eine Nebenrolle. Eine Ausnahme bildet die Gegend von Evolène weit hinten im Val d’Hérens im Unterwallis. Dort ist nach wie vor eine Mundart in Gebrauch, die dem Frankoprovenzalischen zugerechnet wird und sich mit ihrer erdigen Aussprache deutlich vom gebräuchlichen Französisch abhebt. Die Pflege dieses Kulturguts manifestiert sich unter anderem im Gelände: Wer die Gegend auf Wanderwegen durchstreift, begegnet an Bächen und anderen Orten regelmässig Tafeln, auf denen das betreffende Objekt in Patois vermerkt ist. Da wird beispielsweise aus dem lahmen «le torrent» (Bach) ein kraftvoller «lù tòrrèn».
Die Postautohaltestelle La Fauchère liegt etwas ausserhalb von Evolène taleinwärts. Sie erschliesst einen Klettergarten, der Routen verschiedener Schwierigkeitsgrade umfasst. Der Zustieg beginnt auf dem in Richtung Villa signalisierten Wanderweg. Er führt zunächst steil durch den Wald aufwärts. Zwischen den Bäumen kann man eine senkrechte Felswand ausmachen, über die ein dünner Wasserfall senkrecht in die Tiefe schiesst. Die vertikale Landschaft ist Teil des Klettersteigangebots. Der Wanderweg zweigt nach einer Weile ab und führt, nun weniger stark ansteigend, durch eine wunderschöne Kulturlandschaft mit blumenreichen Alpweiden, Bächen, Gebüschen und Hecken. Die Aussicht wird vom trutzigen Doppelgipfel der Dents de Veisivi geprägt, der das Haupttal in zwei Arme teilt: rechts blickt man ins Tal von Arolla, links sieht man die Dent Blanche, die über dem Tal von Ferpècle wacht, dem Höhepunkt der Tour.
Den Dorfkern von La Sage umgeht man westlich, indem man den Weiler am Fuss der Kapelle St-Christoph durchquert. Der kurze Abstecher hinauf zum Kirchlein aus dem 14. Jahrhundert lohnt sich: Der malerische Standort bietet einen wunderschönen Tiefblick auf Les Haudères im Talboden der Borgne.
Weiterhin durch einsames Weideland geht es nach La Forclaz. Nach der Durchquerung des Dorfs marschiert man einige Minuten auf dem Fahrsträsschen, welches das Elektrizitätswerk weit hinten im Tal bei Ferpècle erschliesst, doch schon bald zweigt man wieder auf einen Naturweg ab, der nach Sepéc führt, einem kleinen Alpstafel, dessen alte Holzgebäude von der Sonne dunkelbraun gegerbt sind.
Unterhalb des Weilers Salay (wo sich auch die Postautohaltestelle Ferpècle befindet, die allerdings nur im Sommer bedient wird) endet das Wandervergnügen abseits des Asphalts vorläufig: Die signalisierte Route verläuft nun auf der Fahrstrasse. Ein Teil der Piste lässt sich umgehen, indem man auf den als Wanderweg signalisierten, auf der Karte aber nicht vermerkten und im Gelände teilweise nur undeutlich wahrnehmbaren «Circuit du Glacier» einschwenkt; auf diesem gelangt man zum Kraftwerksgebäude und danach zurück zur Fahrstrasse.
Am Fuss der Staumauer mit dem kleinen Stausee beginnt der eindrücklichste Abschnitt der Wanderung. Ein zusehends schmaler werdender Kiesweg führt hinauf in die hochalpine Auenlandschaft von Ferpècle. Die letzten Lärchen verstellen zunächst noch den Blick taleinwärts, doch kurz nach einem grosszügig ausgestatten Rastplatz (der eine befestigte Feuerstelle und überdachte Sitzplätze aufweist) öffnet sich die Sicht auf ein grandioses Panorama. Mit wenig Gefälle schlängelt sich die unverbaute junge Borgne durch eine weite Hochebene, die von einer eindrücklichen Kette von Flühen, Gipfeln und Geröllhalden umgeben ist. Mit seinen 2913 Metern Höhe vergleichsweise niedrig ist der prominent im Zentrum stehende Mont Miné; trotz seiner wuchtigen Form nimmt er sich bescheiden aus im Vergleich mit der gebieterischen Erscheinung der Dent Blanche links davon. Rechts von ihm schmiegt sich eine dicke Gletscherzunge in seine Flanke.
Ausgedehnte Kiesflächen mit Pioniervegetation prägen das Gesicht der Ebene. Die Stromleitungen und Verkehrswege, welche die Landschaft weiter unten im Tal kennzeichnen, hat man hier weit hinter sich gelassen. Stattdessen sieht man sich einer grandiosen, uneingeschränkten Wildnis gegenüber.
Ebenen Wegs wandert man noch eine Weile durch diese Landschaft von fast unwirklicher Schönheit. Ein Wanderwegschild mit der Standortaufschrift Glaçier du Mont Miné markiert das Ende des signalisierten Pfads. Es steht an leicht erhöhtem Standort oberhalb des Gletschervorfelds. Das Schmelzwasser des Gletschers mäandert durch weitflächiges Schwemmgebiet. Touristische Möblierungen gibt es hier keine. Wer sitzen, rasten und schauen will, nimmt gerne mit einem der grossen Steinblöcke Vorlieb.
Auf vorerst gleicher Route wie beim Hinweg geht es über Salay zurück nach Sepéc. Dort zweigt ein schöner Pfad ab, der über Weideland und durch Bergwald sanft absteigend nach Les Haudères führt.