Wanderung Salvan - Gorges du Dailley
Durch die Schlünde von Dailley
Wanderzeit: 3 h 10 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - Oktober
Ein tosender Bergbach zwischen senkrechten Felswänden: Die Gorges du Dailley sind eigentlich ein vollkommen unzugänglicher Ort. Dank Stegen und Treppen lässt sich die Schlucht aber mühelos durchsteigen. Die Passage zählt zu den Wanderhöhepunkten im Val de Trient. Zu Beginn und am Schluss der Route je 1 km Hartbelag, sonst grösstenteils Naturwege.
Detaillierte Routenbeschreibung
Im 19. Jahrhundert war das Val de Trient im Unterwallis eine der bedeutendsten Tourismusregionen des Alpenraums. Es bildete die Einfallachse für Touristen, die aus Chamonix kommend in die Schweiz reisten. Mit seinen furchterregend hohen Bergen, tief eingeschnittenen Schluchten und unzähligen Bächen bediente es perfekt den damaligen Geschmack, der nach pittoresken, wildromantischen und kontrastreichen Landschaften verlangte.
Um den Gästen etwas Besonderes zu bieten, erschloss man 1895 eine ganz spezielle Attraktion: Am unteren Ende des Haupttals hat der Bergbach Salanfe eine nahezu senkrechte Schlucht in den Fels gekerbt. Schäumend stiebt das Wasser dort zwischen mächtigen Felsblöcken und schroffen Flühen in die Tiefe. Die Pioniere bauten lange Holzstege und unzählige Treppen und erschlossen auf diese Weise die Gorges du Dailley mit einem abenteuerlichen, aber problemlos begehbaren Steig.
Als man in den 1940er-Jahren eine Strasse ins höher gelegene Vallon de Van baute, wurden die Anlagen teilweise zerstört. Was übrigblieb, zerfiel in den folgenden Jahrzehnten. In den 1990er-Jahren verhalfen Freiwillige aus dem Tal dem Schluchtweg zu neuem Leben, indem sie Stege und Treppen frisch anlegten. Seither ist die Natursehenswürdigkeit wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die Gorges du Dailley lassen sich gut in eine Rundwanderung mit Ausgangspunkt Salvan integrieren. Bei der Bahnstation Salvan geht es eine Treppe hoch zur Überführung der Geleise. Von dort führt ein schmales Asphaltsträsschen zum Weiler Les Granges hinauf. In leichtem Auf und Ab geht es danach anfänglich über Wiesland, später durch dichten, mit groben Felsblöcken durchsetzten Buchenwald in Richtung der «Marmites Glacières» (Gletschertöpfe).
Auf einmal wechseln Bodenbeschaffenheit und Vegetation: Die Têtes des Crêtes sind massive, von Gletschern glatt geschliffene Granitkuppen, auf denen würzig duftende Kiefern gedeihen. An einer etwas verborgenen, steilen Stelle liegen zwischen zwei Schutzgeländern mehrere Gletschermühlen.
Von den Gletschertöpfen marschiert man einige hundert Meter im Wald zurück zur Wegverzweigung, von wo es nun im Wald aufwärts geht zu den Gorges (Schlünden) du Dailley. Nach kurzem Aufstieg erreicht man einen gedeckten Picknickplatz mit Feuerstelle, durchquert von dort den Wald praktisch ebenen Wegs und gelangt zur Wasserfassung der Salanfe. Oberhalb davon strömt der Bergbach munter und ungestüm über Felswände in die Tiefe. Weiter unten fliesst nur noch kümmerliches Restwasser zu Tal; der grösste Teil des Bachs legt eine kuriose Reise zurück: Zuerst wird er in einer Druckleitung zu den Turbinen bei Miéville geführt, die letzten hundert Meter bis in den Talboden der Rhone stürzt er dann erneut frei über eine Felswand; den Wasserfall mit dem treffenden Namen «Pissevache» hat schon Goethe bewundert.
Dem Dichterfürsten hätten sicher auch die Gorges du Dailley gefallen, wenn sie zu seiner Zeit schon erschlossen gewesen wären. Die Stege und Treppen sind ebenso kunstvoll wie spektakulär in und an die Felsen gebaut worden. Wer nicht ganz schwindelfrei ist, wird vielleicht zuweilen etwas Mühe aufbringen, die abenteuerlichen Passagen zu bewältigen, doch die Durchsteigung der Schlucht ist auch für ungeübte Berggänger gefahrlos möglich.
Etwa nach der Hälfte des Aufstiegs besteht die Möglichkeit, den Schluchtweg zu verlassen und südwärts Richtung Les Granges auszusteigen. Allerdings würde man sich dadurch um einen besonders eindrücklichen Leckerbissen bringen: Zum Finale der Schluchtdurchquerung wird auf einer enorm steilen Treppe ein mächtiger Felsblock überquert, der sich im engen Einschnitt verkeilt hat. Danach passiert man einen horizontalen Steg, der an einer himmelhohen, senkrechten Felswand klebt, während tief unten das Wasser braust und gurgelt.
Am oberen Ende der Schlucht betritt man ein flaches Hochtälchen mit Wiesen, Ferienhüttchen und einer Herberge. Die Salanfe schlängelt sich als leises, idyllisches Bächlein durch den Wald. Der Wanderweg führt in einigen Kehren nochmals ein Stück aufwärts bis zum Col de la Matze. Zunächst auf schmalen Waldpfaden, später dann auf einem Strässchen geht es nach Les Granges hinunter, von dort auf gleicher Route wie zu Beginn der Tour nach Salvan zurück.