Wanderung Auressio-Verscio
Aus dem wilden Tal in die weite Welt
Wanderzeit: 3 h 40 min
Schwierigkeitsgrad: T3 Anspruchsvolles Bergwandern *
Saison: April - November
Der Sentiero del Sole ist eine angenehme und landschaftlich sehr attraktive Möglichkeit, um zu Fuss aus dem Onsernonetal ins Locarnese zu gelangen. Seinem Namen entsprechend bietet er Sonne und Aussicht. Zwischendurch gibt es längere Passagen im Wald, weshalb die Tour sich gut auch für heisse Sommertage eignet. Ausserhalb des Siedlungsgebiets verläuft sie durchwegs auf Naturwegen.
Detaillierte Routenbeschreibung
Das Onsernonetal ist von einer wilden Schönheit. Der Fluss Isorno hat eine abgrundtiefe Furche ins Gebirge gegraben, ein dichter Baumteppich bedeckt die Hänge und Seitentäler. Die südliche Talflanke ist fast durchwegs bewaldet, während an den nördlichen Hängen auf halber Höhe kleine Dörfer kleben. Bescheidene Steinhäuser drängen sich auf diesen winzigen, von unendlichem Grün umgebenen Inseln dicht aneinander.
Die abgelegene Gegend macht es den Menschen nicht einfach. Der Boden ist steinig, das Terrain vielerorts abschüssig. In generationenlanger Arbeit terrassierten die Talbewohner die Hänge, um sie für den Anbau von Kastanien und Weintrauben sowie als Ziegenweiden nutzen zu können.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Onsernonetal von einer starken Welle der Abwanderung erfasst, bis in den Siebzigerjahren eine Gegenbewegung einsetzte. Nun kamen Aussteiger aus der Deutschschweiz ins Tal, übernahmen leerstehende Häuser und versuchten sich als Selbstversorger durchzuschlagen. «Capelloni» (= Langhaarige) nannten die Einheimischen sie anfänglich etwas abschätzig. Doch viele der jungen Pioniere vermochten erfolgreich Wurzeln zu schlagen und trugen dazu bei, dass die Entvölkerung gebremst werden konnte. Heute wird der stille Charakter der Gegend besonders von Liebhabern intakter Naturlandschaften geschätzt.
Als unterstes Dorf im Tal ist Auressio gleichsam das Verbindungsglied zur Aussenwelt. Hier beginnt der Sentiero del Sole. Er zieht sich in der Flanke des Monte Salmone in südöstlicher Richtung talauswärts ins Pedemonte, dem untersten Teil des Tals der Melezza.
Das weitherum sichtbare Prunkstück von Auressio ist die Villa Edera. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf dem einzigen annähernd flachen Plätzchen des Dorfs errichtet und diente als Wohnhaus eines Talbewohners, der nach Paris ausgewandert, dort als Unternehmer zu grossem Reichtum gekommen und schliesslich wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. Das stattliche Bauwerk wird heute als Hostel genutzt.
Durch schmale Gässchen und über Treppen geht es zur Dorfkirche hinauf, dann zieht sich der breite Steinplattenweg sanft aufsteigend an den letzten Häusern vorbei zum Wald. Ein alter Brunnen am Weg und verschiedene kleine Kapellen, darunter eine mit einer schwarzen Madonna, lassen darauf schliessen, dass die Strecke früher intensiv begangen wurde.
Beim Weiler Cratolo nimmt die Steigung zu. Durch Kastanienwälder und schattige Tobel windet sich der Weg nach Nebi (Nebbio) hinauf, dem höchsten Punkt der Wanderung. Hier tritt man aus dem Wald und überquert bei grossartiger Sicht zum Lago Maggiore und ins Centovalli eine weite Weidefläche mit mehreren Rustici.
Nun folgt der abenteuerlichste Abschnitt der Tour. Der Bergweg zieht sich ins Tobel des Ri d’Auri, wo eine Passage durch senkrechte Felswände mit zwei Galerien überwunden wird. Nicht minder wild ist das nachfolgende Val del Ginela; an einigen ausgesetzten Stellen ist der Weg hangseits mit Ketten gesichert.
Von Monda führt der offiziell signalisierte Verlauf des Sentiero del Sole nach Streccia ganz hinten im Tal des Ri da Riei und auf der gegenüberliegenden Seite wieder talauswärts. Den weiten Bogen kann man auf einfache Weise verkürzen, indem man von Monda zunächst den Bergwanderweg Richtung Streccia einschlägt, aber nach wenigen hundert Schritten talwärts abzweigt und auf einem nicht (bzw. nur in der Gegenrichtung) signalisierten Pfad direkt zur Wegkreuzung Riei absteigt. Praktisch ebenen Wegs gelangt man von dort dem Hang entlang über Monte Zucchero zum Oratorio Sant’Anna.
Der Kern der Kapelle stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde im 17. Jahrhundert zum heutigen Bau erweitert. Das markante Gebäude ist fast überall vom Talboden des Pedemonte aus sichtbar, was umgekehrt bedeutet, dass der Standort einen einmaligen Überblick auf die Gegend erlaubt. Vom Vorplatz geniesst man jedenfalls eine wunderschöne Aussicht über die Ebene hinweg zum Lago Maggiore und ins Gambarogno.
Die Kapelle dient bis in die Gegenwart als lokales Pilgerziel für Bewohner der umliegenden Dörfer. Neben dem Namen der heiligen Anna, der sie geweiht ist, trägt sie auch die Bezeichnung Oratorio delle Scalate, da sie vom Talboden herauf nur über unzählige Treppenstufen erreichbar ist.
Der Abstieg nach Verscio verläuft bei vorerst nur geringem Gefälle zunächst auf einem sehr schönen Steinplattenweg, der sich in den dünn bewaldeten Felshang legt. Erst weiter unten geht er in einen steilen Treppenweg über, der direkt zum alten Kern des Dorfs führt, das als Standort des Teatro Dimitri bekannt ist.