Wanderung Rasa-Camedo
Tal um Tal durch die «hundert Täler»
Wanderzeit: 4 h 45 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Mai - November
Im Centovalli zeigt das Tessin ein raues Gesicht. Das Tal der Melezza und seine unzähligen Seitentäler sind grösstenteils bewaldet und tief ausgeschnitten. Entsprechend wild und einsam ist die Landschaft, die man auf der Wanderung von Rasa nach Camedo durchstreift. Rund zwei Fünftel der Wanderung verlaufen auf Asphalt.
Detaillierte Routenbeschreibung
Kurvenreich, aber doch in einigermassen überzeugend klarer Linie fährt die Centovallibahn in ost-westlicher Richtung durch das Tal. Doch das Terrain ist wesentlich komplexer, als es vom Zugfenster aus den Anschein macht. Wer dort zu Fuss unterwegs ist, erfährt das am eigenen Leib. Es ist unmöglich, vom einen Dorf in direkter Linie zum nächsten zu gelangen. Stattdessen mäandern die Bergwege durch das Gelände, legen sich weitläufig um tiefe Gräben und überwinden mit zuweilen beträchtlichem Gefälle Seitental um Seitental. Schaut man nach ein, zwei Wanderstunden zurück, so hat man den Eindruck, man sei kaum vorwärtsgekommen.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Centovalli leider nur sehr lückenhaft erschlossen – eine ungünstige Voraussetzung zum Wandern. Neben der Centovallibahn gibt es nur eine Seilbahn. Sie fährt von der Bahnstation Verdasio nach Rasa und erschliesst damit ein Dorf, das über keinen Anschluss ans Strassennetz verfügt. Der Lebensrhythmus richtet sich dort am Schritttempo aus. Es gibt mehrere Sehenswürdigkeiten, die unspektakulär wirken, aber gleichwohl interessant sind, so die der heiligen Anna geweihte Dorfkirche, ein historischer Brotbackofen und verschiedene alte Steinhäuser. In einem Grotto wird für das leibliche Wohl gesorgt.
Die Wanderung beginnt mit einer längeren Abstiegspassage auf traditionellen Steinplattenwegen. Über Terra Vecchia geht es nach Bordei. Dort wandert man wenige hundert Meter auf Asphalt, danach geht es gleich wieder im Wald weiter, nun auf unbefestigtem Trassee. Die Pfade sind schmal und von vielen Wurzeln und Steinen durchsetzt. Man kommt deshalb deutlich weniger schnell vorwärts, als die automatischen Marschzeitberechnungen nahelegen. 4 h 6 min ermittelt Swisstopo/SchweizMobil für die gesamte Tour, doch man sollte mindestens eine halbe Stunde mehr einrechnen.
Auf und ab, hin und her schlängelt sich der Weg durch die Wälder nach Boladee, wo man über Wiesen und Weiden hinweg das nahe Palagnedra erblickt; die Dorfkirche birgt einen bemerkenswerten spätgotischen Freskenzyklus. Danach geht es gleich wieder in den Wald, und jetzt entfaltet das Centovalli seine wahre Vielfalt. Eigentlich ginge es nur darum, das Val di Moneto zu umgehen, doch was sich aus der Ferne als ein einziger tiefer Schlund zeigt, fächert sich gegen die Bergkette des Gridone zu drei weit auseinander liegenden Einschnitten auf, durch die sich der Pfad nach und nach windet, um dabei immer wieder in der Höhe zu schwanken. Nach dem Val di Front gelangt man ins Val di Cápolo, wo ein restaurierter Kalkbrennofen steht, und von dort durch das Valleggia zum höchsten Punkt der Tour beim Weiler Pian del Barch.
Etwas zwiespältig ist der Abschluss der Wanderung. Die letzten knapp fünf Kilometer wandert man nämlich durchwegs auf einer Strasse. Die für rollenden Verkehr optimierte Strecke weist wenig Gefälle auf und ist dadurch unnötig lang – stünde den Wanderern ein direkt angelegter Fussweg statt der asphaltierten Schlangenlinie zur Verfügung, dann würde sich die Streckenlänge glatt halbieren. Dafür hat man im grösstenteils offenen Gelände immerhin ausgiebig Gelegenheit, den Blick über die Landschaft schweifen zu lassen. Über die bewaldeten Schluchten hinweg kann man von Moneto zum Ausgangspunkt Rasa zurückschauen. Die nächste ÖV-Haltestelle ist der Bahnhof Camedo auf der Nordseite des fjordähnlichen Stausees Lago di Palagnedra.