Wanderung Spruga - Bagni di Craveggia
Warmes Wasser, blutgetränkter Boden
Wanderzeit: 2 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Mai - Oktober
Einen etwas morbiden Charme zeigen die Überreste des einstigen Thermalbads von Craveggia. Die Anlage befindet sich auf italienischem Boden, ist aber vom Schweizer Teil des Onsernonetal aus im Rahmen einer abwechslungsreichen Rundwanderung am einfachsten zu erreichen. Zu Beginn 2,5 km auf Hartbelag, danach durchwegs Naturwege.
Detaillierte Routenbeschreibung
Das Onsernonetal ist eine internationale Angelegenheit: Der untere, östlich gelegene und ganzjährig besiedelte Teil liegt in der Schweiz, während sich der höher liegende westliche Abschnitt zu Italien gehört. Dort gibt es einzig einige Alpbetriebe, die man am besten über die Schweiz erreicht. Und dann gibt es noch, knapp jenseits der Landesgrenze, eine Thermalquelle. Sie wurde schon im Mittelalter genutzt. Im frühen 19. Jahrhundert errichtete man dort ein Kurhotel, dessen Gäste an der abgelegenen Stätte Heilung von verschiedenen Gebresten suchten.
Das Bauwerk brannte 1881 ab, wurde später wieder aufgebaut, aber 1951 von einer Lawine endgültig zerstört. Einzig das Thermalbecken im Erdgeschoss blieb intakt und war, obwohl einsturzgefährdet, während langer Zeit noch ein Insider-Geheimtipp.
2013 wurde die Anlage sanft umgebaut. Das grosse Becken ist jetzt nicht mehr zugänglich, dafür stehen davor zwei Granitwannen bereit. Passanten können sie mit dem 28 Grad warmen Wasser füllen und sich dann unter freiem Himmel ein erfrischendes Bad gönnen; zudem gibt es zwei Kneipp-Becken – eines mit warmem und eines mit kaltem Wasser. Es handelt sich um ein ziemlich spezielles touristisches Angebot: Kostenlos, ästhetisch ansprechend, einsam gelegen, nur mit einem gewissen Aufwand erreichbar.
Nicht immer ging es dort so unbeschwert zu und her wie heute. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs suchte im Tal eine versprengte Gruppe von italienischen Partisanen Zuflucht in der nahen Schweiz. Der Grenzübertritt wurde ihnen jedoch verwehrt – eine Internierung wurde damals nur dann als zulässig eingestuft, wenn sie in unmittelbarer Todesgefahr erfolgte. Die anrückenden faschistischen Truppen sorgten dafür, dass dieser Fall tatsächlich eintrat: Sie nahmen die Fliehenden am 18. Oktober 1944 unter Beschuss, so dass die Schweiz ihnen die Grenze öffnete. Mehrere Partisanen kamen ums Leben, einer von ihnen sogar auf Schweizer Boden. Es ergab sich ein wüstes Gezerre, das in der Drohung der Faschisten gipfelte, das Grenzdorf Spruga anzugreifen, falls die Internierten nicht sofort ausgeliefert würden. Als ihnen dies verweigert wurde, zogen sie schliesslich ab.
Erreichbar ist das Bad ab Spruga auf einem nicht sonderlich attraktiven Weg: Der Zugang erfolgt auf einer asphaltierten, allerdings abgesperrten und dadurch immerhin meist verkehrsfreien Strasse. Seit einigen Jahren gibt es aber auch auf der gegenüberliegenden Talseite einen Wanderweg, der zu den Bädern führt. Es handelt sich um einen schmalen, stellenweise auch etwas ausgesetzten (für Kinder unter 12 Jahren deshalb nicht geeigneten) Waldpfad. Er verläuft ab den Bagni zunächst auf etwas mehr als einem Kilometer auf italienischem Boden; dabei kommt man an der heute leerstehenden Kaserne der Carabinieri vorüber und quert die wildromantische Isornia-Schlucht. Noch malerischer ist das Valle del Corno, das kurz nach der Überschreitung der Schweizer Grenze gestreift wird.
Die Rundtour ist abwechslungsreich und landschaftlich sehr lohnend. Es empfiehlt sich, die Route im Gegenuhrzeigersinn zu beschreiten, das heisst mit dem Abstieg ab Spruga zu den Bagni zu beginnen. Auf diese Weise bringt man den Hartbelagsabschnitt gleich zu Beginn hinter sich und kann sich auf die kommenden reichhaltigen Eindrücke freuen.
Nach der neuerlichen Überquerung des Isorno geht es im Nordhang des Talflusses zum Weiler Tecc dal Böcc hoch und danach praktisch ebenen Wegs zur Häusergruppe Piva. In sanftem Anstieg gelangt man in Richtung Comologno, bleibt aber unterhalb des Dorfs; bei einer Gruppe von Ställen neigt sich der Weg erneut sanft abwärts. Nach der Durchquerung eines letzten Tobels steigt man im Wald zur Postauto-Haltestelle Dazio auf.