Wanderung San Carlo (Bavona) - Bignasco
Steinreiches Val Bavona
Wanderzeit: 4 h
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - Oktober
Eine der wildesten und felsigsten Gegenden der Schweiz ist das Val Bavona. In Wäldern, auf Weiden, ja selbst in den winzig kleinen Dörfern - überall liegen gigantische Felsblöcke. Davon sind sowohl die Architektur als auch die Bewirtschaftung geprägt. Ein wunderschöner Wanderweg durchzieht das märchenhafte Tal der Länge nach. Kaum Hartbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Das Val Bavona, ein Seitental der Maggia, ist karg und überaus steinig. Bis vor einem halben Jahrtausend war das Tal ganzjährig besiedelt, dann verlegten die Einwohner aufgrund zusehends schwieriger klimatischer Bedingungen ihren Wohnsitz nach Cavergno und Bignasco am Talausgang. Zwölf Weiler werden seither noch im Sommer genutzt; je nach Jahreszeit werden dabei verschiedene Höhenstufen aufgesucht – als «Transhumanz» wird diese halbnomadische Lebensweise bezeichnet.
Ein sehr schön angelegter, abwechslungsreicher Wanderweg verbindet diese Dörfchen untereinander und mit dem lokalen Zentrum Bignasco am unteren Ende des Tals. Da die Route mehrheitlich im Wald verläuft, eignet sie sich gut für eine leichte Tour im Hochsommer, wenn es andernorts im Tessin zu heiss zum Wandern ist. Die Marschzeit ist gemessen an der horizontalen Distanz eher lang, da man auf den schmalen Waldpfaden, die oft mit Steinblöcken und Wurzeln durchsetzt sind, deutlich langsamer vorankommt als auf ebenen Kieswegen.
Die Bewirtschaftungsformen haben sich zwar auch im Val Bavona mittlerweile geändert, doch noch immer erinnern guterhaltene baukulturelle Zeugnisse an die überaus harten Arbeitsbedingungen und die archaischen Lebensumstände früherer Zeiten. An allen Ecken und Enden im Tal zeugen monströse Steinbrocken, die oft so gross wie mehrstöckige Häuser sind, von der zerstörerischen Kraft der Erosion.
Das Leben und Arbeiten in einer solch unwirtlichen Gegend war mitunter sehr gefährlich. Einem ebenso drastischen wie beklemmenden Beleg für diese Tatsache begegnet man etwas nördlich des Dörfchens Foroglio. Eine Malerei an einem Bildstock zeigt die Kreuzabnahme Jesu; im Vordergrund ragt ein menschlicher Arm hilfesuchend aus einem Steinhaufen. Ein paar Schritte entfernt liegt ein grosser Steinblock am Wanderweg; eine Inschrift daran erklärt, dieser Fels habe im Mai 1812 einen Mann namens Zanzanin erdrückt – anderthalb Tage habe der Todeskampf des Unglücklichen gedauert.
Trotz solcher Tragödien wussten sich die Einwohner des Tals selbst widrigste Gegebenheiten zu Nutze zu machen: Hohlräume unter besonders gewaltigen Steinblöcken («Splüi») nutzten sie als Ställe, Backhäuser, Webstuben oder sogar Wohnstätten; riesige flache Felsplatten funktionierten sie mit etwas Humus zu hängenden Wiesen («Prati pensili») um; manchenorts terrassierten sie Steilhänge mittels Trockenmauern. Die Grenzen zwischen Kultur und Natur sind dadurch nahezu aufgehoben worden. Selbst die einfachen Häuser, die in traditioneller Bauweise mit Steinen errichtet wurden, werden in der felsigen Umgebung gewissermassen unsichtbar.
Im hinteren Teil ist das Val Bavona recht steil. Zuhinterst gibt es mehrere Stauseen, die der Stromproduktion dienen (kurioserweise ist das Tal selbst nicht ans Stromnetz angeschlossen). Weniger gross sind die Höhendifferenzen ab San Carlo talabwärts. Doch auch hier verläuft der Talweg nicht durchwegs flach. Aufstiege auf rauen Treppenstufen und entsprechend auch steile Abstiege hat man insbesondere zwischen Ritorto und Sabbione sowie zwischen Sabbione und Fontana zu gewärtigen. Dazwischen gibt es aber immer wieder ausgedehnte Passagen, die weitgehend ebenen Wegs durch den Wald, über Wiesen und durch die malerischen Dörfchen führen.
Einkehrmöglichkeiten gibt es am Ausgangspunkt San Carlo, in Sonlèrt, Foroglio und Fontana. Einige hundert Meter östlich von Sabbione steht im Wald zudem ein Picknickplatz zur Verfügung. Der Wanderweg durch das Val Bavona ist streckenweise auch ein Themenweg: Der Abschnitt von Foroglio bis Mondada, dem untersten Weiler im Tal, ist als Lehrpfad dem Thema Transhumanz gewidmet; einige besonders interessante Schauplätze sind mit Informationstafeln ausgestattet.
Bei Mulino – unterhalb von Mondada – wird der Fluss Bavona ein letztes Mal überquert. Das abschliessende Teilstück bis Bignasco verläuft zunächst auf einer breiten Kiesstrasse, die aber rasch wieder in einen schmalen Pfad übergeht, der sich an einen mit mächtigem Blockschutt durchsetzten bewaldeten Hang schmiegt. Ein letztes Mal lässt sich hier die urtümliche Wildnis und karge Schönheit des Bavona-Tals erleben.