Wanderung Lavorgo-Giornico
Einzigartige kulturelle Schätze der Leventina
Wanderzeit: 2 h 20 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Landschaftlich und kulturell hat die Wanderung von Lavorgo nach Giornico ausserordentlich viel zu bieten. Zwischendurch etwas störend ist allerdings die akustische Beeinträchtigung durch den Verkehr auf der nahen Autobahn. Kaum Hartbelag ausserhalb des Siedlungsgebiets.
Detaillierte Routenbeschreibung
Giornico ist eine Wucht: Das Dorf zählt kaum 800 Einwohner, weist aber nicht weniger als vier grandiose Kirchen auf. Eine davon gilt gar als schönstes und bedeutendstes romanisches Bauwerk der Südschweiz. 1478 war die Gegend Schauplatz einer Schlacht, in deren Folge die Eidgenossen dem Herzogtum Milano die Leventina entrissen und als Untertanengebiet den Urnern zuschlugen. Erst die Folgen der französischen Revolution setzten dem kolonialistischen Treiben ein Ende. Immerhin muss man den Imperatoren zugutehalten, dass sie die reichen kulturellen Schätze der Gegend bewahrten.
Beim Bahnhof Lavorgo muss man sich den Weg zur Unterquerung der Bahnlinie vor lauter Schallschutzwänden förmlich suchen. Fündig wird man talauswärts bei einer diskret angelegten Unterführung, die allerdings nur nach waghalsiger, da zebrastreifenloser Überquerung der Kantonsstrasse zu erreichen ist. Auf der anderen Seite überquert ein Strässchen den Ticino, umrundet das Staubecken des Elektrizitätswerks und führt zum Weiler Nivo. Hier wechselt man auf einen Naturweg, der durch den Wald und später durch ein kleines, steiles Tälchen aufwärtsführt.
Auf einer Hochebene liegt das Dörfchen Chironico, das mit seinen schmalen Gassen und gut erhaltenen alten Steinhäusern ein sehr reizvolles Ortsbild zeigt. Ein letzter kleiner Anstieg führt zur etwas oberhalb des Dorfs liegenden Kirche San Maurizio. Von nun an geht es nur noch abwärts – erst sanft, dann im abschüssigen, von groben Felsblöcken durchsetzten Wald zusehends steil. Je mehr man an Höhe verliert und je näher die im Talboden verlaufende Autobahn rückt, umso lauter und störender werden die Strassengeräusche.
Einen Moment der Ruhe gibt es in der Umgebung der mitten im Wald liegenden Kirche San Pellegrino; das Gotteshaus birgt einen bedeutenden Freskenzyklus aus dem späten 16. Jahrhundert. Wenig später führt der Wanderweg praktisch direkt der Autobahn entlang; der Verkehrslärm wächst kurzzeitig zu einem nahezu infernalischen Brüllen an. Der Spuk dauert glücklicherweise nur wenige Minuten, dann zweigt der Wanderweg westwärts ab und führt zu den Dörfchen Caradenca und Altirolo.
Über Wiesen mit Obstbäumen und an langen Reihen von Rebstöcken vorbei nähert man sich Giornico. Schon von weitem sieht man die Kirche Santa Maria del Castello. Sie steht auf einem Felssporn, auf dem sich einst auch eine Burg befand. Von oben geniesst man eine eindrückliche Aussicht talauswärts und hinüber zu zwei weiteren Kirchen.
Ein kleiner Umweg führt danach an den beiden Sakralbauten vorbei. Die südliche gibt von aussen deutlich mehr her als im Inneren: Als Pfarrkirche wurde San Michele immer wieder mit viel Aufwand auf den jeweils neusten Stand der religiösen Innendekoration gebracht, hatte also sämtliche Auswüchse von Rokoko bis Klassizismus zu erdulden.
Wesentlich besser erging es der benachbarten Kirche San Nicolao. Hier blieb die Zeit weitgehend stehen, so dass auch im Inneren romanische Schlichtheit dominiert. Selbst theologisch motivierte Säuberungsaktionen unterblieben. Deshalb konnte sich oberhalb des mittleren Apsisfensters sogar ein gemalter Trivultus erhalten. Die einst gebräuchliche Darstellung der Dreifaltigkeit in Form eines kombinierten Gesichts mit drei Nasen, drei Mündern und vier Augen wurde 1628 auf päpstliches Geheiss zwar verboten. Hier aber wurde sie nachlässigerweise nicht ausgemerzt, weil es sich um keine Pfarrkiche handelte. Zwei Steinbogenbrücken überspannen die beiden Arme des Ticino und führen hinüber zum mittelalterlichen Dorfkern, wo sich auch die Postautohaltestelle befindet.