Wanderung Monte Carasso - San Bernardo - Sementina
Tibet im Tessin
Wanderzeit: 3 h 35 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Durch Kastanienwälder und Weinberge führt diese interessante Wanderung im Bellinzonese. Am Weg liegen hübsche Bergweiler, eine Perle des romanischen Kirchenbaus und eine überaus lange Hängebrücke. Am Schluss 0,5 km Hartbelag, sonst ausserhalb des Siedlungsgebiets durchwegs Naturwege.
Detaillierte Routenbeschreibung
Hängebrücken sind nicht jedermanns Sache. Wenn es auf schwankendem Steg gähnende Leere zu überwinden gilt, verzagen manche Menschen mit zitternden Knien, umso mehr, wenn sich ihre selbstsicheren Begleiter einen Spass daraus machen, die Konstruktion heftig zum Schaukeln zu bringen. Beim Ponte Tibetano (der Tibeter-Brücke) im Sementinatal sind immerhin solche Spielchen nicht möglich: Die schmale Konstruktion ist zwar 290 m lang, zeigt sich aber dank kräftiger seitlicher Verspannungen wesentlich stabiler als manche kürzere Hängebrücke.
Das filigrane Bauwerk überquert seit 2015 einen wahren Höllenschlund: Der Wildbach Sementina hat sich in den steilen Berghang über dem Dorf Monte Carasso tief eingefressen und einen nahezu unüberwindlichen Graben geschaffen. Dank der Hängebrücke kann man das wilde Tal jedoch problemlos überqueren.
Ausgangspunkt der Wanderung ist die Postautohaltelle Cunvént in Monte Carasso. Der stark befahrenen Dorfstrasse entlang geht es zunächst einige Dutzend Schritte in westlicher Richtung, dann wird hangwärts abgezweigt und, anfänglich im Schatten der Festungsanlage Fortini della Fame, bergwärts gestiegen. Durch Rebberge und Kastanienwälder gewinnt man auf schönen Steintreppenwegen zügig an Höhe. Schliesslich erreicht man den Weiler Corte di Sotto oder, wie es im regionalen Dialekt heisst, Curzútt. Die mit Natursteinen errichteten Häuser sind sorgfältig restauriert.
Nebenan befindet sich die Zwischenstation der Seilbahn, die vom Tal nach Mornera hochfährt. Wer sich den (landschaftlich lohnenden) Aufstieg bis hierher ersparen will, hat also eine bequeme Alternative zur Hand. Mit Kindern ist die Bahn ohnehin das Mittel der Wahl. Die kleinen Fahrgäste werden sich zusätzlich freuen, dass unmittelbar nach dem Aussteigen bereits die nächste Attraktion lockt, nämlich ein schöner Spielplatz, der im lichten Wald angelegt ist.
Der Weg führt an einem kleinen Rebberg vorbei und steigt dann gegen den Wald hin, wo sich ein malerischer Anblick zeigt: An erhöhter Lage ragt der Kirchturm von San Bernardo zwischen den Bäumen hoch. Das romanische Gotteshaus thront an wunderbar aussichtsreicher und gleichzeitig berückend einsamer Lage hoch über dem Tal des Ticino. Das Kirchlein ist ein kunsthistorisches Juwel: Seine ältesten Teile werden auf das 11. Jahrhundert datiert, basieren aber möglicherweise auf einem noch älteren Vorgängerbau. Ein wertvoller Freskenzyklus aus dem 16. Jahrhundert schmückt die Innenwände.
Im Wald geht es nun in etlichen Kehren bergauf Richtung Monti Leone, nach einer Weile dann nicht minder steil wieder hinunter, und bereits rückt die Hängebrücke Carasc ins Blickfeld. Ihr jenseitiges Ende scheint sich im Dunst zu verlieren. Über dem tiefen Schlund, den die Sementina in den Hang gegraben hat, ragt der gegenüberliegende Steilhang mit machtvoller Geste in die Höhe.
Vom westlichen Brückenkopf führt der Bergweg nochmals eine Weile aufwärts. Nahe Monti della Costa verzweigen sich die Routen. Links ginge es direkt und sehr steil nach Sementina hinunter, geradeaus gelangt man vorerst praktisch ebenen Wegs zum Weiler San Defendente. Von dort führt der Weg, mehrmals eine Asphaltstrasse schneidend, über Steintreppen durch Kastanienwälder talwärts, um schliesslich in die Via delle vigne zu münden. Auf dem Strässchen geht es an Rebhängen vorbei und zwischen Wohnhäusern hindurch an die Hauptstrasse hinunter. Nach der neuerlichen Überquerung der Sementina kehrt man zurück zum Ausgangspunkt Cunvént in Monte Carasso.