Wanderung Dangio-Olivone
Im Tal des Lichts und der Sonne
Wanderzeit: 2 h 25 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Mai - November
Etwas oberhalb des Talbodens verläuft diese leichte Höhenwanderung im Bleniotal. Der Weg verbindet Dörfer und Weiler, führt aber auch durch einsame Wälder und über aussichtsreiche Wiesen. Ausserhalb des Siedlungsgebiets praktisch durchwegs Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Auswanderergeschichten kennt die Schweiz zuhauf. Besonders die Berggebiete galten im 19. Jahrhundert als hoffnungslos verarmte Gegenden. Die Bürger wurden teilweise mit ansehnlichen Prämien zum Exil verdonnert. Zurück kam ob solcher Demütigung begreiflicherweise kaum jemand. In manchen Gegenden, besonders im Tessiner Bleniotal, gab es allerdings erfolgreiche Rückkehrer, die mit diskretem Triumph Wohlstand in ihre Heimat brachten. Manchen gelang es sogar, ihre Landsleute daran teilhaben zu lassen.
Über die Gründe für dieses Ausnahmeverhalten kann nur spekuliert werden. Eine triviale, aber naheliegende Annahme fusst auf der Tatsache, dass das Bleniotal auch im Winter als ausgesprochen sonnig gilt. Vielleicht hielten es deshalb die Exilanten an den trüben und nebligen Stätten ihres erfolgreichen Wirkens nicht lange aus, so dass sie sich wieder in die Heimat zurückzogen.
Der wuchtige Fabrikbau am Ausgangspunkt der Wanderung ist ein Zeuge davon. Zwei Brüder, die es in Nizza zu Reichtum gebracht hatten, bauten hier ein Werk zur Herstellung von Schokolade auf. Produziert wurde unter dem Markennamen Cima-Norma bis in die 1960-er Jahre. Dann sprang der Hauptkunde – ein Grossverteiler – ab und der Betrieb ging Konkurs. Die monumentalen Bauten werden seither im kleinen Massstab für Wohn- und Gewerbezwecke genutzt.
An der ehemaligen Schokoladenfabrik vorbei geht es etwa 100 m taleinwärts, danach zweigt man von der Hauptstrasse ab und steigt auf einem schönen Steinplattenweg aufwärts ins Val Soi. Von der Wegverzweigung Valle di sopra geht es nur noch wenige Minuten bis zum Weiler Cregua di Dangio. Der Waldpfad schmiegt sich in die Flanke des Cima di Pinadee und führt erst leicht abwärts, dann wieder in zuweilen kräftigem Anstieg aufwärts. Vom Dörfchen Pinadee gelangt man auf einem verträumten Weglein zum Wildbach Riascio.
Schon bald erreicht man die ersten Häuser von Olivone. Das Dorf liegt auf einem Ausläufer des Sosto, der aus der Nähe wie ein gewöhnlicher Berg aussieht, von weitem aber eine geradezu furchterregende Silhouette offenbart: Ein spitzer, ausserordentlich hoher Kegel thront auf einem nahezu senkrechten Sockel. Durch den Ortsteil Solario gelangt man zur romanischen Pfarrkirche San Martino, dessen Glockenturm sichtbar schief steht, allerdings nicht so stark wie jener in Pisa.
Auf dem letzten Wegstück zur Bushaltestelle beim Albergo Posta gelangt man an mehreren stattlichen Villen vorbei. Auch diese Bauwerke legen Zeugnis ab vom Erfolg einstiger Exilanten. Die imposanteste dieser Bauten ist die neoklassische Residenz «Il Centralone». Ihr Erbauer hatte ein besonders bewegtes Schicksal: Der Anwalt Carlo Poglia war sowohl ein umtriebiger Politiker als auch ein skrupelloser Holzhändler. Aufgrund seiner Machenschaften wurde er zum Tod verurteilt, nach Jahren im Exil aber begnadigt. Zurück in der Heimat stieg er wieder in die Politik ein und liess den Prachtsbau als Sommerresidenz der Kantonsregierung errichten.