Wanderung Mühlrüti - Groot - Fischingen
Hochgebirge nach Thurgauer Art
Wanderzeit: 2 h 45 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Um den höchsten Punkt des Kantons Thurgau zu erklimmen, braucht man weder Steigeisen noch Sauerstoffflaschen: Der Groot erreicht nicht einmal tausend Höhenmeter. Die Wanderung zur aussichtsreichen Hangkante endet bei einem Juwel barocker Kirchenbaukunst. Zu 85% verläuft sie auf Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Zwischen Sternenberg ZH, Mühlrüti SG und Fischingen TG liegt das Chlihörnli, wo die drei Kantone zusammentreffen. Bei der unspektakulären Hügelkuppe handelt es sich um den südlichsten Punkt des Kantons Thurgau. Mit einer Höhe von 991 m ü. M. ist sie zugleich dessen höchster Ort. Oder jedenfalls fast. Noch um ein paar Zentimeter überragt wird sie von einer Stelle am zwei Kilometer weiter nordöstlich liegenden Groot.
Der Grat (so heisst das Plätzchen auf Hochdeutsch) trägt seinen Namen nur halbwegs zu Recht: Gegen Osten zeigt sich die Nagelfluhbank zwar ziemlich spektakulär, indem sie fast senkrecht abfällt, um dann in ein Tälchen auszulaufen, dessen Grund fast 300 Meter tiefer liegt. Auf der Westseite hingegen senkt sich das Terrain nur sanft und zögerlich in Form eines mässig steilen bewaldeten Hangs.
Erreichen lässt sich der Groot auf einer Wanderung, die in Mühlrüti beginnt. Vom westlichen Dorfrand geht es auf einem Strässchen zunächst zum Weiler Bechten, dann auf einem Flurweg und später weglos an Ackerland vorbei und über Wiesenland zur Häusergruppe Tobel. Ab hier geht es aufwärts. Ein Kiessträsschen führt durch ein Bachtobel zum Bergbauernhof Holenstein. Etwas oberhalb davon zweigt ein schmaler Pfad in den Wald ab und steigt kurvenreich zum Groot auf. Dessen Kuppe ist der Kulminationspunkt der Tour. Sie liegt auf einer Höhe von 996 m knapp jenseits der Kantonsgrenze noch auf St. Galler Boden.
Einige Schritte nördlich davon steht eine Wanderwegtafel, deren Standortfeld die Höhe mit 991,1 m angibt und die Stelle als höchsten Ort des Kantons Thurgau ausweist. An der Hangkante gibt es auch zwei Sitzbänke – Gelegenheit für eine aussichtsreiche Rast. Es bietet sich zwar kein Panorama wie auf einem Aussichtsgipfel, doch zumindest öffnet sich ein eindrücklicher Ausblick in die Senke auf der anderen Seite des Geländers. Auf der gegenüberliegenden Hügelkuppe ragt zwischen Baumwipfeln der Kirchturm des Wallfahrtsorts Iddaburg in die Höhe.
In etlichen Serpentinen und damit bei entsprechend geringem Gefälle geht es zum Gehöft Höll hinunter und von dort nahezu ebenen Wegs zur Ottenegg, wo an schöner Aussichtslage zwischen zwei mächtigen Lindenbäumen eine hohe Säule mit einer Marienstatue steht. Die eigentümliche Skulptur wurde 1887 errichtet und damit zu einer Zeit, als in der Schweiz der Kulturkampf zwischen liberalen und konservativen Kreisen tobte. 1848 hatten die Liberalen die Schliessung zahlreicher Klöster erzwungen. Darunter war auch der 12. Jahrhundert gegründete Benediktinerstift im nahen Fischingen. Mit der Marienstatue setzten die Konservativen ein Zeichen für ihre Überzeugung, dass über dem Staat noch eine höhere Instanz besteht. In die gleiche Epoche fällt die etwas weiter unten im Wald erbaute Marienkapelle; der einfache Holzbau hat sich im Laufe der Zeit zu einem bescheidenen Wallfahrtsort entwickelt.
Der weitere Abstieg verläuft zunächst weiterhin auf Naturpfaden im Wald und über Wiesen, ab Neuschür dann auf asphaltierten Strässchen. Die Tour endet beim ehemaligen Kloster Fischingen. Die Anlage wird heute von einem Verein als Tagungszentrum betrieben, birgt aber seit den 1970er-Jahren auch wieder eine kleine Gemeinschaft von Benediktinermönchen. Sie gilt als ein herausragendes Schmuckstück barocken Sakralbaus in der Schweiz. Besonders sehenswert ist die Klosterkirche mit der Iddakapelle, in der sich das Grab der heiligen Idda befindet. Die Gemahlin des Grafen von Toggenburg soll im 13. Jahrhundert gelebt haben. Nach der Legende stahl ihr ein Rabe den Ehering. Später fand ein Jäger das Schmuckstück im Vogelnest und steckte es sich an den Finger. Als Iddas Gatte dies entdeckte, bezichtigte er seine Frau des Ehebruchs und stiess sie aus dem Fenster des Schlosses. Die zu Unrecht Verdächtigte überlebte und verbrachte ihr Leben fortan in einer Klause beim Kloster Fischingen.