Wanderung Schwarzenburg-Rüeggisberg-Riggisberg
Die potemkinsche Klosterkirche
Wanderzeit: 4 h
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - November
Im Schwarzenburgerland hat die Landwirtschaft einen hohen Stellenwert. Wer durch die Gegend streift, geniesst schöne Kulturlandschaften, muss aber auch reichlich Asphalt gewärtigen. Knapp die Hälfte der Wanderung von Schwarzenburg nach Riggisberg verläuft auf Asphalt. Ihr Höhepunkt ist die wunderbar aussichtsreich gelegene Anlage des ehemaligen Klosters Rüeggisberg.
Detaillierte Routenbeschreibung
Nur noch eine verwitterte Ruine und einige Grundmauern zeugen davon, dass in Rüeggisberg einst ein stattliches Kloster stand. Gegründet wurde es nach 1075 als Ableger der mächtigen und einflussreichen Abtei von Cluny im Burgund. Nach einer kurzen Blütezeit schwand seine Bedeutung allerdings rasch wieder. Im Gefolge der Burgunderkriege legte das aufstrebende Bern die Hand auf das Klostergut und degradierte dieses zu einem Landwirtschaftsbetrieb mit Pfarrhaus. Die Reformation und ein Dorfbrand brachten den endgültigen Niedergang: Die Bevölkerung nutzte die Baumaterialien für den Wiederaufbau von Häusern und Dorfkirche, ein verbleibendes Gebäude diente fortan als Scheune.
Die verfallenen Mauern bieten einen morbid-romantischen Anblick. In den vergangenen hundert Jahren wurden sie in mehreren Etappen untersucht und konserviert. Im Zuge des jüngsten Schritts zur Sicherung der Anlage (2016 bis 2021) trat ein überraschender Befund zutage: Die Fundamente auf der Westseite der Kirche legen zwar nahe, dass dort einst ein grossräumiges Kirchenschiff stand, doch dessen Bau wurde in Tat und Wahrheit gar nie abgeschlossen. Der vermeintlich voluminöse Kirchenbau von Rüeggisberg bestand somit nur aus einer querliegenden Rumpfkirche, die gewissermassen als potemkinsche Fassade diente und eine Grösse vorgaukelte, die nicht bestand.
Das ehemalige Kloster ist aber dennoch einen Besuch wert, und zwar aus zwei Gründen. In einem Museumsraum, der täglich geöffnet ist, wird die Geschichte des Klosters dokumentiert. Dort sind auch mehrere Mauerfragmente ausgestellt, die von den Steinmetzen seinerzeit mit plastischen Elementen dekoriert wurden. Von den Kunsthistorikern werden diese Arbeiten als pionierhafte Leistung bewertet. Sie soll beispielhaft für eine Entwicklung der Bauplastik stehen, die sich zur Bauzeit im 11. Jahrhundert anbahnte.
Der zweite Grund, warum sich ein Besuch der Klosterruine unbedingt lohnt, ist deren Lage. Die Kirche und ihre Nebengebäude wurden etwas ausserhalb des heutigen Dorfs errichtet. Sie stehen am äusseren Rand einer Hochebene und bieten damit eine ungehinderte Sicht zur Gantrischkette und zu den Berner Hochalpen. Malerisch ist auch der Vordergrund: Das weite Tälchen des Grüenibachs zieht sich gegen das Nachbardorf Riggisberg, dahinter öffnet sich die Sicht zur Region Thun.
Das Siedlungsgebiet von Schwarzenburg wird ab dem Bahnhof in östlicher Richtung durchquert. Dabei marschiert man auf dem Jakobsweg, allerdings in der Gegenrichtung (die meisten heutigen Jakobspilger zieht es eigenartigerweise nur immer gegen Westen). Es ist eine Eigenheit des bekanntesten Pilgerwegs der Schweiz, dass er teilweise auf längeren Strecken über Asphalt verläuft. Das ist historisch bedingt: Der Jakobsweg nutzt traditionelle Wegverbindungen, die einst so angelegt wurden, dass man möglichst effizient vorankam. Gerade dieser Pragmatismus wurde den Strecken zum Verhängnis, denn im Laufe der Zeit wurden sie einfach zu Strassen ausgebaut, deren Streckenführung sich natürlich ebenfalls an ökonomischen Grundsätzen orientierte.
Im Galgenzelg lässt man den Asphalt für eine Weile hinter sich und wandert mit Sicht zu den obersten Spitzen der Alpenkette. Die Wegoberfläche wechselt von nun an immer wieder zwischen Asphalt, Kies, Gras und Waldboden. Von Schönentannen geht es über Elisried nach Henzischwand und am Dörfchen Mamishaus vorüber zur Granegg, von dort steigt man in den Schwarzwassergraben ab. Etwas oberhalb des Flüsschens liegt im Auenwald die Hütte des Sportfischervereins Schwarzenburg, die über einen kleinen Rastplatz verfügt.
Von der Wislisau an geht es wieder aufwärts. Via Rohrbach und Helgisried steigt man zum ehemaligen Kloster Rüeggisberg auf. Dabei durchquert man das wildromantische Tobel des Hangebachgrabens und nutzt später den alten Klosterweg, der bereits 1533 urkundlich erwähnt wurde, dann zerfiel und 1986 wiederhergestellt wurde.
Der letzte Teil der Wanderung ist etwas zwiespältig. Den ersten Abschnitt von Rüeggisberg nach Mättiwil kann man ohne weiteres als schönstes Teilstück der gesamten Tour bezeichnen: Er verläuft auf einem Pfad, der an erhöhter und entsprechend aussichtsreicher Lage über Wiesen und Weiden führt. Voraus liegen die weiss glänzenden Kuppen von Eiger, Mönch und Jungfrau sowie der Blüemlisalpgruppe, zur rechten Hand reihen sich die Voralpengipfel vom Niesen über das Stockhorn bis zum Gantrisch aneinander.
Auch im Abstieg nach Riggisberg wird man von diesem ungewöhnlich schönen Panorama begleitet. Der Genuss wird allerdings etwas getrübt durch die Wegoberfläche, denn ein grosser Teil der Strecke verläuft auf Asphalt.