Wanderung Gibswil-Wissengubel-Täuferhöhle-Gibswil
Felsige Cremeschnitten im Zürcher Oberland
Wanderzeit: 3 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - November
Im Oberland zeigt der Kanton Zürich seine ländliche Seite. Wälder, Wiesen und Bauernhöfe prägen das Gesicht der hügeligen Gegend. Sehr ursprünglich, ja wild ist auch die Topografie, wie man auf einer Rundwanderung ab Gibswil entdeckt. Die Tour verläuft zu einem schönen Teil auf Naturwegen; der Hartbelagsanteil liegt allerdings dennoch bei rund 30 Prozent.
Detaillierte Routenbeschreibung
Gubel: So nennt man im Zürcher Oberland die höhlenartigen Einbuchtungen in bewaldeten Tobeln, die für die dortige Gegend typisch sind. Entstanden sind sie aufgrund einer besonderen geologischen Konstellation. Vor zehn bis 30 Millionen Jahren erstreckte sich auf dem Gebiet des heutigen Mittellands ein grosses Meer. Die Flüsse aus den jungen Alpen lagerten dort Geschiebe unterschiedlicher Beschaffenheit ab. Aus dem gröberen Gestein bildete sich harte und kompakte Nagelfluh, während sich der Sand zu weicherem Sandstein verdichtete. Die verschiedenen Schichten lagerten sich wie bei einer Cremeschnitte mehrfach übereinander ab. Wo ein Bach sich im Laufe der Zeit ins Gelände grub, schwemmte er den Sandstein aus, während die Nagelfluh bestehen blieb. Auf diese Weise bildete sich dort eine Höhle. Solche Gubel weisen durchwegs keine grosse Tiefe auf, weil der vordere Rand ihrer Nagelfluhdecke fortlaufend der Verwitterung ausgesetzt ist und immer wieder abbricht.
Der eindrücklichste und schönste Gubel liegt oberhalb von Gibswil. Das Dorf gilt als nordisches Zentrum des Kantons Zürich. Bloss eine Stunde vom Paradeplatz entfernt stehen dort für Skispringer zwei Sprungschanzen zur Verfügung, auch dem Langlaufsport wird hier im Winter fleissig gefrönt. Vom Frühling bis in den Spätherbst aber ist die Gegend ein beliebtes Wandergebiet, dessen landschaftlicher Charakter ein wenig ans Emmental erinnert.
Von der Bahnstation geht es zuerst der Hauptstrasse entlang, dann auf einem Strässchen zum Wald hoch, noch einige hundert Schritte zwischen mächtigen Buchen hindurch – und bereits steht man vor dem Wissengubel. Die Szenerie ist märchenhaft. Ein mächtiger Nagelfluhriegel wölbt sich im Halbkreis über einer weiten Geländemulde, ein Bach stürzt als kleiner Wasserfall in die Tiefe, dahinter öffnet sich gähnend ein dunkler Schlund. Der Gubel lässt sich gefahrlos begehen, unter der massiven Nagelfluhdecke ist man vor Wind und Wetter perfekt geschützt. Unten in der Waldarena gibt es einen Picknickplatz mit Feuerstelle.
Die Rundwanderung birgt noch weitere Attraktionen. Nach dem malerischen Wissengubel folgt eine kurze, aber steile Aufstiegspassage. Danach geht es nur noch sanft ansteigend über Weideland und durch Waldgebiete. Zusehends öffnet sich die Sicht zu den Gipfeln der Glarner und Innerschweizer Alpen. Über Hintersennenberg geht es bei schönem Ausblick zum Pfäffikersee hinauf zur Schufelberger Egg, wo ein Rastplatz mit prachtvoller Aussicht zur Alpenkette eingerichtet ist.
Ein letzter Aufstieg führt hinauf nach Allmen; von dort könnte man über den bewaldeten Höhenrücken ebenen Wegs direkt zum Frauebrünneli weitermarschieren. Es ist jedoch empfehlenswert, einen kleinen Umweg einzuschalten. Ein mit zahllosen Holzschwellen angelegter Treppenweg führt im Wald kurz, aber rabiat abwärts in eine urtümliche Tobellandschaft. Gleich geht es wieder ebenen Wegs weiter. Der Pfad verläuft einem schroffen Abgrund entlang, ist aber immerhin mit einem Geländer gesichert. Danach folgt nochmals eine lange Kaskade von einfachen Holzstufen, die sich zwischen den Bäumen in die Tiefe schlängelt, bis man in einem engen Graben die Täuferhöhle sieht.
Ein schmaler, mit einem Geländer gut gesicherter Weg traversiert den Steilhang und führt direkt zum Eingang der Höhle. Diese erweist sich als linsenförmige, etwa 40 Meter breite, stellenweise deutlich mehr als drei Meter hohe Halle. Zwei rückwärtige Stollen verengen sich rasch zu niedrigen Gängen, die man nur kriechend einige Meter weit erkunden kann. Aus einem davon rieselt Wasser, das sich zu einem Bächlein bündelt und die grosse Höhlenhalle durchfliesst. Sitzbänke laden zur Rast mit Picknick.
Die geheimnisvolle Höhle entrückt die Wanderer und Ausflügler, die hier vorbeikommen, vollkommen von der Aussenwelt mit ihrer Betriebsamkeit, ihrem Lärm und ihren permanenten visuellen Reizen. Hier gibt es kein Spektakel, kein Fun, keinen Mobilfunkempfang – nur Ruhe und ein eigenartiges Gefühl der Geborgenheit unter der mächtigen Felsdecke. Der besondere Ort weist eine geradezu sakrale Atmosphäre auf. Im frühen 16. Jahrhundert wurde die Höhle von Angehörigen der Täuferbewegung als Zufluchtsstätte und Versammlungsort genutzt. Mit ihrer radikal reformatorischen Strömung hatten sie sich von der jungen reformierten Kirche abgespalten und wurden deshalb bedroht und verfolgt.
Der lohnende Abstecher hat seinen Preis in Form von 60 Höhenmetern, die es anschliessend wieder aufwärts zu bewältigen gilt. Bei der Wegkreuzung Frauebrünneli lässt man die Tobellandschaft hinter sich. Auf Strässchen und Flurwegen senkt sich die Wanderroute sanft gegen Fischenthal hin. Erneut geniesst man eine eindrückliche Weitsicht über die Höhen des Zürcher Oberlands hinweg zur Alpenkette. Über das Dörfchen Klein-Bäretswil gelangt man zum Weiler Fistel. Die Rückkehr im Talboden nach Gibswil verläuft zunächst der Bahnlinie entlang, später auf einem Kiessträsschen durch Wiesenland.