Wanderung Combe-Tabeillon - Undervelier - Berlincourt
Einsame Juralandschaft und eine mystische Grotte
Wanderzeit: 3 h 40 min
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Mai - November
Vom Rand der Freiberge führt diese Wanderung durch menschenleere Weidelandschaft ins Becken von Delémont. Am Weg liegt die Grotte Sainte-Colombe, eines der ungewöhnlichsten Wallfahrtsziele der Schweiz. Die Schlucht wird auf einer asphaltierten Strasse durchquert, ansonsten verläuft die Tour fast durchwegs auf Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Ausgangspunkt dieser Tour ist einer der einsamsten Bahnhöfe der Schweiz: Die Haltestelle Combe-Tabeillon liegt mehrere Kilometer abseits von den nächsten umliegenden Dörfchen. Dennoch muss jeder Zug, der hier vorbeifährt, zwingend halten, denn die Bahnlinie beschreibt in der Schlucht des Tabeillon eine Spitzkehre. Ein Bahnhofbuffet gibt es zwar nicht, doch ein paar Schritte vom Stationsgebäude entfernt steht eine Forsthütte mit Tischen und Bänken für ein Picknick. Wer keine Lust hat, die Tour mit einer Rast zu beginnen, zieht los. Dort, wo die Geleise enden, beginnt der Aufstieg nach Saulcy. Ein schmaler Pfad zieht sich zunächst im Wald an Felswänden vorbei, dann über Weideland aufwärts. Bei der Dorfkirche von Saulcy hat man bereits den höchsten Punkt der Wanderung erreicht.
Mit dem Siedlungsgebiet lässt man nun für eine längere Zeit fast jegliche Zivilisationsspuren hinter sich, denn nun beginnt ein Abschnitt, der durch eine für Schweizer Verhältnisse ausserordentlich einsame Landschaft führt. Während mehr als einer Stunde wandert man in einer menschenleeren Gegend und kommt in dieser Zeit einzig an zwei Gebäuden vorbei. Zunächst geht es über das Weideland der Combe Montjean sanft abwärts, dann durch den Wald zur Combe es Monin und, erneut auf Weideland, zur Blanche Maison hinauf. In wechselnden kurzen Auf- und Abstiegen umgeht man das Gehöft Pré de Joux und zieht danach, nun teilweise weglos, quer durch die von einzelnen Bäumen und Hecken durchsetzten Weiden. Schliesslich zeigen sich die Hausdächer von Undervelier. Leicht absteigend nähert man sich dem westlichen Dorfrand.
Der offizielle Wanderweg Richtung Berlincourt beginnt unweit der Kirche, quert auf einem Brücklein die Sorne und folgt dem östlichen Ufer des Flüsschens auf einem hübschen Naturpfad. Allerdings empfiehlt es sich, hier ausnahmsweise dem Asphalt den Vorzug zu geben und direkt auf die Strasse einzuschwenken, die dem westlichen Flussufer entlang verläuft. Der Grund dafür ist eine aussergewöhnliche Sehenswürdigkeit, die sich nur auf diese (zugegebenermassen eher unattraktive) Weise aufsuchen lässt. Zu diesem Zweck folgt man der Hauptstrasse talauswärts (Vorsicht, die Strasse ist teilweise stark befahren und es gibt kein Trottoir).
Einige hundert Meter nach dem Ortsausgang gelangt man zur Grotte Sainte-Colombe. Die Höhle liegt direkt am Fuss einer senkrechten Felswand und weist stattliche Dimensionen auf: Sie geht etwa 30 Meter in den Berg, ist annähernd ebenso breit und an der höchsten Stelle beim Eingang vorne rund 7 Meter hoch – das Volumen ist somit durchaus mit dem eines Kirchenschiffs vergleichbar.
Tatsächlich ist die Stätte seit dem Mittelalter ein vielbesuchtes Wallfahrtsziel. Das hängt auch mit der Karstquelle zusammen, die im hinteren Teil der Höhle in ein Steinbecken fliesst. Dem Wasser wird heilende Wirkung nachgesagt. Die Grotte wird deshalb immer wieder von kranken und gebrechlichen Menschen aufgesucht, die sich dort eine Linderung ihrer Leiden erhoffen. Seinen Höhepunkt erlebt der Zustrom jeweils am 15. August: Am Tag von Marias Aufnahme in den Himmel pilgern bis zu 200 Gläubige zur Grotte, wo an einem grossen Steinaltar eine Messe gehalten wird. Zahlreiche Votivtafeln in verschiedenen Sprachen, namentlich auch auf Spanisch und Portugiesisch, bekunden, dass hier offenbar etliche der Gebete erhört wurden.
Patronin der Grotte ist die heilige Kolumba, die im 3. Jahrhundert lebte, aus Spanien stammte und als junge Frau nach Frankreich gezogen war, um dort den christlichen Glauben zu praktizieren. In der burgundischen Stadt Sens wurde sie im Zuge der Christenverfolgungen laut der Legende vor den römischen Kaiser gebracht. Aurelian war von ihrer Schönheit tief beeindruckt und gelobte, sie zu schonen und mit seinem Sohn zu verehelichen, sofern sie Jupiter anbete. Dies verweigerte die Jungfrau, worauf der tobende Kaiser sie in ein Freudenhaus bringen liess, um sie der öffentlichen Schändung preiszugeben. Ein Bär rettete sie vor dem ersten Freier, dieser wiederum konvertierte zum neuen Glauben und bewahrte sie vor dem Flammentod, den der Kaiser in der Folge über sie verhängt hatte. Am Ende wurden beide, Kolumba und der Jüngling, enthauptet.
Eine weitere Legende besagt, dass die nachmalige Heilige eine Zeitlang mit einer Bärin in einer Höhle weit oberhalb von Undervelier gelebt haben soll, von wo sie sich immer wieder in die heute nach ihr benannte Grotte begab, um dort zu beten und von dem wundersamen Wasser zu trinken. Ihre tatsächliche Anwesenheit im Jura ist allerdings nicht verbürgt – im Gegensatz zu der des heiligen Kolumban, der rund 200 Jahre später als Wandermönch durch die Gegend zog. Eine Theorie besagt deshalb, dass sich hier irgendwann im Laufe der Geschichtsschreibung ein Schreibfehler eingeschlichen haben könnte und die Grottenheilige eigentlich ein Mann sei.
Laut archäologischen Funden war die Kolumba-Grotte in der Bronzezeit besiedelt und wurde möglicherweise schon damals als Kultstätte genutzt. Heute zeigt sich der Ort etwas zwiespältig. Das Halbdunkel der Höhle vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit, doch zur mystischen Stimmung kontrastiert auf etwas schmerzhafte Weise der Lärm der draussen vorbeiflitzenden Autos.
Dem motorisierten Verkehr ist man als Wanderer noch eine Weile ausgesetzt. Von der Grotte geht es rund 800 Meter weiterhin der Strasse entlang durch eine Klus. An der engsten Stelle ragen die schmalen Kalkrippen beidseits von Fluss und Strasse senkrecht fast 100 Meter hoch in den Himmel; oben sind sie mit vom Wetter zerzausten Föhren gekrönt – ein malerischer Anblick, der an alte fernöstliche Landschaftsgemälde erinnert.
Beim Weiler Les Forges verlässt man die Strasse, quert die Sorne und wandert auf einem einfachen Fussweg talauswärts, der sich auf der rechten Seite des unverbaut dahinrauschenden Flüsschens nach Berlincourt zieht. Der idyllische Uferabschnitt kontrastiert auf reizvolle Weise zum bisherigen Verlauf der Wanderung und sorgt damit für einen attraktiven Schlusspunkt der Tour.