Wanderung Buffalora - Munt la Schera - Il Fuorn
Perle des Nationalparks
Wanderzeit: 4 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Juli - November
Rund 100 km Wanderwege durchziehen den Schweizerischen Nationalpark im Unterengadin. Die Bergwanderung auf den Munt la Schera gilt als eine der schönsten Touren des Gebiets, bietet sie doch einmalig schöne Ausblicke in eine grossartige, praktisch unberührte Gebirgslandschaft. Die Wanderung verläuft durchwegs auf Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Der Schweizerische Nationalpark ist gemäss den internationalen Naturschutznormen ein Reservat der höchsten Schutzkategorie. Tiere, Pflanzen, Lebensräume und natürliche Prozesse sind seit dem Gründungsjahr 1914 vor jeglichen menschlichen Eingriffen gesetzlich geschützt. Zuvor war die Natur dort allerdings einer zuweilen sehr intensiven Nutzung unterworfen. Schon im Mittelalter baute man im weitläufigen Gebiet rund um den Ofenpass mit zwar bescheidenen Mitteln, aber für die damalige Zeit dennoch in grossem Stil Eisenerz ab. Zu diesem Zweck trieb man mehrere Dutzend Stollen in die Nordostflanke des Munt Buffalora. Weiter östlich wurde das Erz in einem Schmelzofen verhüttet; darum wird der dortige Pass seither Il Fuorn (der Ofen) genannt. Das Schmelzen erforderte hohe Temperaturen, die sich nur mit dem Verbrennen enormer Holzmengen erzielen liessen. Die Bergwälder der Gegend wurden deshalb grossflächig abgeholzt. Die gerodeten Flächen liessen sich danach immerhin noch alpwirtschaftlich nutzen, doch die in Natur und Landschaft eingetretenen Veränderungen waren folgenschwer: Die natürliche Flora und Fauna hatten sich stark verändert, die Baumgrenze war um mehrere hundert Meter gesunken.
Solche Entwicklungen gab es vielerorts im Alpenraum. Sofern man sie überhaupt zur Kenntnis nahm, stufte man sie höchstens als notwendigen Preis für den Fortschritt ein. Doch Ende des 19. Jahrhundert begann sich die Öffentlichkeit über die Entwicklung zunehmend Sorgen zu machen. Deshalb kam die Idee auf, im Unterengadin ein Schutzgebiet auszuscheiden, in dem die Natur gegenüber dem Menschen Vorrang haben sollte. Die Bestrebungen mündeten schliesslich in die Schaffung des Schweizerischen Nationalparks, des ältesten Nationalparks im Alpenraum.
Seither gibt es in diesem Gebiet nur noch wenige Zeugnisse menschlicher Aktivität, nämlich ein Hotel, ein Wasserkraftwerk und die Strasse über den Ofenpass. Kühe, Schafe oder Ziegen weiden dort schon lange nicht mehr. Menschen dürfen den Nationalpark weiterhin betreten, jedoch nur auf den offiziell signalisierten Wegen. Das Netz weist eine beachtliche Streckenlänge auf: Insgesamt rund 100 km Wanderwege stehen im Schutzgebiet zur Verfügung. Man kann also ziemlich lange unterwegs sein, bis man die Gegend in ihren ganzen Dimensionen entdeckt und abgeschritten hat.
Aus der Vielfalt sticht eine Route besonders hervor, und zwar sowohl punkto Panorama als auch hinsichtlich der landschaftlichen Vielfalt: Die Bergwanderung auf den Munt la Schera wird verschiedentlich als eine der schönsten Touren im Nationalpark eingestuft. Der Ausgangspunkt liegt knapp ausserhalb des Schutzgebiets beim Gasthaus Buffalora.
Der Einstieg verläuft nahezu ebenen Wegs über die Hochebene der Alp Buffalora. Der Flurname bedeutet «windiges Wetter». Das Gebiet gilt denn auch als eine der zugigsten Ecken der Schweiz – fast immer bläst dort Wind aus irgendeiner der vier Himmelsrichtungen. Auf Holzstegen werden die mehrere Dutzend Meter breiten Kiesbette der Wildbäche Ova dal Fuorn und Aua da Murtaröl überquert. Bei der Alphütte beginnt der Weg allmählich zu steigen. Mässig steil zieht er sich durch den Bergwald hoch. Von der Baumgrenze an geht es durch offenes Gelände weiter aufwärts. Voraus zeigt sich nun die Kuppe des Munt Chavagl, des Nachbargipfels des Munt la Schera.
Im Gebiet Fop da Buffalora zeigt eine Wegweisertafel mit der Aufschrift «Minieras da fier» hangaufwärts zu einer Wegspur, die einige der früheren Bergwerksstollen am Munt Buffalora erschliesst. Die meisten Stolleneingänge sind im Laufe der Jahrhunderte eingestürzt. Einige wurden in den letzten Jahren wieder freigelegt, sind aber verriegelt. Im Rahmen von geführten Besichtigungen kann man sie besuchen.
Schon bald erreicht man einen Geländesattel, der die Grenze zum Nationalpark bildet. Jetzt weitet sich das Panorama Richtung Westen und Süden. Eine grossartige Wildnis breitet sich vor einem aus: Felsige Höhen mit karger Vegetation, weite Täler mit urwüchsigen Nadelwäldern, rauschende Wildbäche – und weit und breit kein einziges Gebäude. Für eine Weile wandert man ebenen Wegs, bei Pkt. 2370 zweigt ein Bergweg hangwärts ab und führt entlang der südöstlichen Hangrippe des Munt la Schera steil und stetig gegen den Gipfel hin. Je höher man steigt, umso mehr weitet sich die Sicht.
Im Rätoromanischen gibt es zwei verschiedene Bezeichnungen für einen Berg. Während ein Piz spitz ist, weist ein Munt eine breite Kuppe auf. Der Munt la Schera entspricht diesem Schema perfekt: Er verfügt über keinen markanten Gipfel, sondern endet in einer Art Plateau, dessen höchster Punkt mit einem Steinmännchen gekennzeichnet ist. Das Panorama ist grandios. Ringsum prägen scharf gezackte Berge den Horizont – vom Piz dal Fuorn und dem Piz Nair im Norden über den Piz Daint und den Piz Murtaröl im Osten und Süden bis zum Piz dal Diavel und dem Piz Quattervals im Westen. Inmitten dieser prächtigen Gipfelparade schimmert blaugrün der Stausee von Livigno.
Auch der Abstieg ist steil und obendrein mit etlichen Kehren gespickt. Manchenorts liegt reichlich Schotter auf dem Trassee, so dass der Weg stellenweise recht rutschig ist. Bei Pkt. 2337 endet der anstrengendere Teil des Abstiegs. Bei deutlich vermindertem Gefälle geht es weiter zur Alp la Schera. Bei einer kleinen Schutzhütte steht dort ein Brunnen und eine Sitzbank zur Verfügung, die zu aussichtsreicher Rast einlädt. Obwohl die Alp seit über einem Jahrhundert nicht mehr mit Vieh bestossen wird, weist ihre Vegetation noch immer einen typischen Bewuchs etwa mit Eisenhut, Ampfern und Brennnesseln auf. Nur ganz langsam vermag der Wald den Alpboden zurückzuerobern.
Sehr steil ist die Nordostflanke des Munt la Schera, die mit urwaldartigen Föhrenbeständen bewachsen ist. Der Wanderweg durchquert dieses wilde Terrain auf gut ausgebautem Trassee. Zwischen den Bäumen öffnen sich spektakuläre Tiefblicke zur Ofenpassstrasse, die man schliesslich nach langem, mässig steilem Abstieg erreicht.