Wanderung Sumvitg-Trun
Vom Meisterwerk aus Holz zum Wunder des Lichts
Wanderzeit: 2 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Mai - November
Zwei ganz unterschiedliche Pilgerziele verbindet diese Wanderung in der Surselva. Während die Caplutta Sogn Benedetg in Sumvitg erst 1988 entstand und insbesondere auch Architekturinteressierte anzieht, wird die traditionsreiche Wallfahrtskirche Nossadunna dalla Glisch in Trun schon seit Jahrhunderten von Gläubigen aufgesucht. Ausserhalb des Siedlungsgebiets verläuft die Tour meist auf Naturwegen.
Detaillierte Routenbeschreibung
Mehr als ein Jahrtausend stand sie am Sonnenhang der Surselva über dem Dorf Sumvitg, dann kam die Lawine. Die Caplutta Sogn Benedetg – sie ist dem Heiligen Benedikt geweiht – war im Laufe der Zeit schon mehrmals von Schneemassen beschädigt worden, die sich hoch oben am Piz Avat lösten. 1984 schob eine besonders grosse Staublawine das Dach und einen grossen Teil der Seitenwände ins darunter liegende Val Mulinaun. Einzig die Grundmauern blieben stehen und zeugen seither von der Vergänglichkeit menschlichen Wirkens. Noch heute lässt sich aus der Ruine ein ungewöhnliches architektonisches Merkmal ablesen: Die romanische Apsis weist einen Grundriss in Form eines Hufeisens auf. Ihr Ursprung wird deshalb auf das 10. Jahrhundert oder früher datiert. Im Mittelalter war der Kapelle laut der Chronik zeitweilig ein Beginenkonvent – eine religiöse Laiengemeinschaft – angegliedert.
Als Ersatz für die zerstörte Kapelle konzipierte der bekannte Bündner Architekt Peter Zumthor einen Neubau, der 1987/88 knapp 200 Meter vom alten Standort entfernt und damit ausserhalb des Lawinenzugs errichtet wurde. Die neue Caplutta Sogn Benedetg unterscheidet sich von ihrem Vorgängerbau fundamental. Ihre Aussenfassade besteht aus Holzschindeln, die mit den Jahren von der Bergsonne dunkel gegerbt worden sind. Das Dach ist eine simple Blechkonstruktion; Die Glocken hängen nicht in einem Turm, sondern an einem leiterartigen Träger aus Holz. Am auffälligsten ist der Grundriss der Kapelle. Seine länglich-runde, tropfenartige Form verleiht dem Begriff des Kirchenschiffs auf wunderbar schlichte Weise Geltung. Von der formalen Reduktion sollte man sich aber nicht täuschen lassen: Die Konzeption ist bis in kleinste Details (wie den Opferstock oder das Weihwassergefäss) durchdacht.
Sogn Benedetg (so heisst auch der Weiler, in dem die Kapellenruine und Zumthors Juwel liegen) erreicht man zu Fuss auf einfachen Naturwegen, die bei der Bahnstation Sumvitg ihren Anfang nehmen. Zunächst geht es ins Dorf hinauf und zur Pfarrkirche Sankt Johannes Baptist, deren Glockenturm geradezu gebieterisch in den Himmel ragt. Danach wandert man über Wiesen und Weiden steil aufwärts. Schon bald öffnet sich west- und ostseits eine weite Sicht in die Surselva. Um nach Plaun da Crusch zu gelangen, stehen zwei Routen zur Verfügung: Über Clavadi geht es teilweise der Strasse entlang; schöner ist die östliche Variante via Planatsch.
Während man auf einem Strässchen das Val Mulinaun durchquert, erblickt man auf der gegenüberliegenden Seite des Wildbachs die Mauerreste der ursprünglichen Caplutta Sogn Benedetg. Die Anlage wurde durch konservatorische Massnahmen vor weiterem Zerfall gesichert und ist frei zugänglich. Beachtenswert sind die Reproduktionen von zwei Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert. Die eine zeigt das Jüngste Gericht mit Jesus, Maria und dem geköpften Johannes, die andere ist eine geradezu schwelgerisch überzeichnete Darstellung der Hölle. Die originalen Freskenfragmente wurden nach dem verheerenden Lawinenniedergang von den Mauern gelöst und ins Kloster Disentis verbracht, das Eigentümer der Kapelle ist.
Bei der neuen Kapelle hat man den höchsten Punkt der Tour erreicht. Von jetzt an geht es, abgesehen von einem kurzen Gegenanstieg im Raum Bardigliun, abwärts oder ebenen Wegs weiter. Man ist nun auf der Schweiz-Mobil-Route Nr. 85, der Senda Sursilvana, unterwegs. Sie verläuft an erhöhter Lage und bietet entsprechend schöne Ausblicke auf den Talboden des Vorderrheins. Meist auf einfachen Pfaden, zeitweise sogar weglos bummelt man über Wiesen und Weiden, dazwischen geht es auch durch Waldgebiet. Oberhalb der Caplutta da Sogn Michel (St. Michaels-Kapelle) von Campieschas geht es ins Val Rabius, wo der gleichnamige Wildbach gequert wird. Auf dessen östlicher Seite gelangt man nach Bardigliun. Nach einem kurzen Aufstieg bis Planatsch beginnt der sanfte, aber anhaltende Abstieg auf der Via Munt. Der erste Teil davon verläuft auf einer unansehnlichen Betonpiste, die nach einem halben Kilometer glücklicherweise in ein Kiessträsschen übergeht.
Oberhalb von Caltgadira verlässt man die Senda Sursilvana und steigt zum Weiler ab, der sich um die Wallfahrtskirche Nossaduna dalla Glisch (auf Deutsch: Maria Licht) gruppiert. Aufgrund des prominenten Standorts am Rand einer Höhenterrasse wird vermutet, dass sich an dieser Stelle bereits in vorgeschichtlicher Zeit eine Kultstätte befand.
Seit dem Mittelalter stand dort ein erstes Kirchlein, das dem heiligen Sebastian geweiht war. Weil dieses baufällig geworden war, beschloss man, es durch einen Neubau zu ersetzen und diesen der Heimsuchung Marias (gemeint ist damit der Besuch der schwangeren Maria bei ihrer Verwandten Elisabeth) zu weihen. In der Nacht nach der Grundsteinlegung im Frühling 1663 soll indessen der ganze Hügel von hellem Licht erleuchtet worden sein, was als göttliches Zeichen gedeutet wurde. Deshalb änderte man den Widmungsplan und weihte die Kirche nun der «Heiligen Jungfrau vom Höhenlicht». Schon kurz nach seiner Fertigstellung entwickelte sich das Gotteshaus zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort. Maria Licht birgt heute den grössten Bestand an Votivtafeln in Graubünden.
Auf einem Kreuzweg, der Trun mit der Wallfahrtskirche verbindet, steigt man ins Dorf ab. Der Ort ist für die Bündner Geschichte von besonderer Bedeutung: Im Jahre 1424 wurde dort der Graue Bund gegründet, einer der Teile des alten Freistaats der Drei Bünde, der dem modernen Graubünden voranging.