Wanderung Obermutten-Ziteil-Salouf
Ziteil – Europas höchstes Pilgerhospiz
Wanderzeit: 5 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: T3 Anspruchsvolles Bergwandern *
Saison: Juli - Oktober
Seit über 400 Jahren pilgern Menschen von nah und fern nach Ziteil. Der abgelegene Ort im Oberhalbstein ist ein bedeutendes Wallfahrtsziel. Die Kapelle lässt sich auf einer zwar langen, aber sehr attraktiven Wanderung erreichen. Die Tour verläuft durchwegs auf Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
In den Bergen weit oberhalb von Savognin, bei Cruschetta und noch höher oben bei Ziteil, begegneten 1580 zwei Jugendliche einer Frauengestalt, die sie aufforderte, die Bevölkerung zu Busse und Frömmigkeit aufzurufen. Nach anfänglichem Misstrauen gelangten die Behörden zur Überzeugung, es habe sich um Marienerscheinungen gehandelt, und liessen auf der Alp Ziteil eine Kapelle errichten. Schon bald unternahmen Leute aus der Gegend erste Prozessionen dorthin. Innert weniger Jahrzehnte wurde Ziteil zu einem bedeutenden Wallfahrtsziel. Dazu trug die wundersame Befreiung des nahen Dorfs Salouf von einem «bösen Fieber» im Jahre 1666 bei; diese führte man auf Busse und Gebet in der Bergkapelle zurück.
Im Laufe der Zeit wurde die einst winzige Kapelle schrittweise zu einer stattlichen Kirche mit angegliedertem Pilgerhaus ausgebaut. Trotz der abgeschiedenen, klimatisch herausfordernden Lage auf 2428 Metern Höhe zog der Ort immer mehr Pilger an. Diese kamen nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern auch aus anderen Regionen bis nach Vorarlberg und Frankreich. In den Nachtlagern über dem Kirchenraum finden bis zu 150 Personen einen Schlafplatz, in der anliegenden Pilgerstube können sie sich stärken. Mit diesem Angebot gilt Ziteil als höchstes Pilgerhospiz Europas und als höchstes Wallfahrtsziel der Schweiz (noch höher liegen die Kapellen auf dem Mont Thabor in Frankreich und auf dem Rocciamelone in Italien).
Heute zelebriert ein Priester jeden Sonntag von Ende Juni bis Ende September die Messe auf Ziteil. Um sie zu besuchen, muss man früh aufstehen (oder gleich vor Ort übernachten), beginnt sie doch um 8 Uhr morgens. Der kürzeste Weg führt vom Alpweiler Munter auf einem (mit Fahrverbot belegten) Kiessträsschen in anderthalb Stunden zur Wallfahrtskirche. Der Ausgangspunkt lässt sich mit dem Privatauto erreichen. Auch ein Wanderbus der örtlichen Tourismusorganisation fährt hinauf, allerdings nur einmal wöchentlich und nur auf Reservation hin.
Die schönste und passendste Art, um nach Ziteil zu gelangen, ist eine dreieinhalbstündige Bergwanderung ab der nächstgelegenen Haltestelle des öffentlichen Verkehrs. Ausgangspunkt ist die Walsersiedlung Obermutten. Das Dörfchen zählt heute nur noch vier ganzjährig dort lebende Einwohner. Neben etlichen Ferienhäusern gibt es ein Hotel mit Restaurant und einen Selbstbedienungsladen, in dem man sich mit Wanderproviant wie Käse, Salsiz und Süssigkeiten eindecken kann. Eine einmalige Sehenswürdigkeit ist die kleine Kirche am Dorfrand. Als einziger Sakralbau der Schweiz ist sie komplett aus Holz gebaut. Selbst die Orgelpfeifen sind hölzern.
Auf einem kiesbedeckten, mässig steilen Alpsträsschen gelangt man auf die Muttner Alp. Von dort geht es nur noch leicht ansteigend über Alpweiden ins Gebiet Auf den Böden. Nachdem man die kleine Hütte passiert hat, verliert sich der Weg zwischen kleinen Grashügeln. Auch die weiss-rot-weissen Wegmarkierungen sind hier dünn gesät. Zuweilen weglos, dann wieder auf schmalen Pfaden geht es dem Hang entlang weiter sanft aufwärts, bis man den Zaun erreicht, der die Muttner Alp von der Alp da Stierva trennt. Die Gemeindegrenze ist zugleich eine sprachliche und konfessionelle Scheidelinie, denn nun betritt man romanischsprachiges und katholisches Gebiet.
Nach einem Zwischenabstieg in einen weiten, grasbedeckten Sattel steigt man auf den breiten Höhenrücken Feil, wo man dem Himmel immer näher zu kommen scheint. Schon bald entdeckt man das Holzkreuz, das den 2501 Meter hoch gelegenen Kulminationspunkt der Wanderung markiert. Die Anhöhe ist zwar namenlos, bietet aber ein Panorama, das manch bekanntem Gipfel mit klingendem Namen mindestens ebenbürtig ist. Die Rundsicht reicht vom Piz Beverin im Westen über den Ringelspitz und die Schesaplana zum Parpaner und Aroser Rothorn bis zu den Gipfeln von Oberhalbstein und Engadin. Weit unten in der Tiefe kann man das Albulatal und dahinter das Landwassertal ausmachen.
Bei den markanten Bergrücken im Süden handelt es sich um den Piz Toissa und den Piz Curver. In den Einschnitt dazwischen senkt sich nun der Weg. Nach einer Weile kann man in der Ferne auf einem kleinen Felskamm ein weiteres Holzkreuz sehen, auf das man sich nun langsam zubewegt. Wenn man es erreicht, sieht man das Ziel der Tour, die Wallfahrtskapelle Ziteil, die man nach wenigen Minuten erreicht. Wer sie betritt, ist überrascht über den geräumigen, hell und freundlich ausgestatteten Kirchenraum. Das rückwärtige Kirchenfenster bietet eine grossartige Aussicht. An der stilisierten Figur des gekreuzigten Jesus vorbei blickt man wie aus einer Theaterloge in die Bergwelt des Oberhalbsteins, die von Piz Mitgel und Piz Ela gekrönt wird.
Mit diesem Panorama vor Augen tritt man auch den Abstieg ins Tal an. Er verläuft zunächst auf Alpweiden, nach dem Überschreiten der Baumgrenze dann durch lockeren Bergwald, der immer wieder die Sicht zum Piz Mitgel freigibt. Am Bildstock von Cruschetta vorüber, dem Schauplatz der ersten Marienerscheinung von 1580, geht es hinunter nach Salouf.