Wanderung Val dal Saent
Zum See des Verrückten
Wanderzeit: 4 h 20 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Juni - Oktober
Ein echter Geheimtipp ist das südlichste Seitental des Puschlavs: Das Val dal Saent ist abgelegen und deshalb nur wenig begangen, gleichzeitig aber in landschaftlicher Hinsicht ungemein reizvoll. Eine Rundwanderung durch das Hochtal führt zu zwei wildromantischen Bergseen und bietet grossartige Ausblicke ins Veltlin. Durchwegs Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Unter Wanderern ist es heute keine ungewöhnliche Praxis mehr, an heissen Sommertagen in einem eisig kühlen Bergsee zu baden. Früher war das ganz anders. Gebadet wurde selten – und schon gar nicht auf den Bergen. Wer es anders handhabte, den hielt man für nicht ganz dicht. So widerfuhr es einst jenem Puschlaver, der im Sommer gerne einmal in einem Bergsee weit oben im Val dal Saent ein Bad nahm. Noch heute berichtet der Volksmund davon, wie die Talbewohner den Kopf schüttelten, als sie davon erfuhren. Als «Lagh dal Mat» (See des Verrückten) wird das Gewässer seither bezeichnet.
Der See liegt hoch oben im weiten Kessel des Val dal Saent. Ein Wanderweg führt vom Bergdörfchen Cavaione hinauf. Die Route figuriert in der Liste der SchweizMobil-Highlights, doch aufgrund ihrer satten Länge (nicht weniger als sieben Marschstunden dauert es, bis man wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt) wird sie nur selten begangen. Obendrein verläuft die untere Hälfte der Tour fast ausschliesslich im Wald.
Es gibt jedoch auf einfache Weise Abhilfe. Die Postautolinie nach Cavaione wird nach dem Rufbussystem betrieben. Sofern es der Fahrplan zulässt, fährt der Chauffeur die Fahrgäste gegen einen kleinen Aufpreis ein gutes Stück weiter den Berg hoch. Statt auf 1300 m.ü.M. kann man dann die Wanderung auf der Alp Pescia Bassa und damit 500 Höhenmeter höher oben starten – die Tour verkürzt sich damit auf einen Schlag um die Hälfte.
Zum Einstieg wandert man von der Alphütte auf dem breiten Kiessträsschen noch eine Weile weiter bergwärts bis zum Rifugio Anzana. Die Schutzhütte ist zwar abgeschlossen, doch bei der Gemeindeverwaltung von Brusio lässt sich telefonisch der Zahlencode zum Entriegeln der Eingangstür abfragen. Weil die Hütte in einem Funkloch liegt, wird auf einer Tafel erklärt, an welche Stelle in der Umgebung man sich begeben muss, um über Mobilfunkempfang zu verfügen.
Bei der Wegverzweigung Pescia Alta geht das Strässchen in einen einfachen, steinigen Bergweg über, der sich fortan durch hügelige Alpweiden in die Höhe zieht. Nach der Überwindung einer steilen Felsstufe erreicht man eine kleine Hochebene mit einem kleinen Bergsee. Mit seinem klaren grünen Wasser hebt sich der Lagh da la Regina markant von der Felswüste der umliegenden Schutthänge ab.
An einigen winzig kleinen, namenlosen Seelein vorüber gelangt man zum Lagh dal Mat, der noch ein Stück höher oben liegt. Vom westlichen Ufer aus gesehen scheint sich der am Fusse des Felskopfs Al Mat liegende Bergsee gleichsam in der Unendlichkeit zu verlieren. Weit unten auf der Alp hört man einige Kuhglocken bimmeln. Sonst gibt es hier nur das Summen von Insekten und das sanfte Singen des Winds zu hören.
Vorerst auf gleicher Route geht es zurück zum Lagh da la Regina. Von dort gelangt man auf einem schmalen, etwas ausgesetzten Pfad am Fuss von schroffen Flühen zur Moor-Hochebene Meden und von dort zum Col d'Anzana. Es lohnt sich, von der Passhöhe einige Schritte über die Landesgrenze hinweg zu unternehmen, um bei den Felsplatten am Rand des Weidelands den Tiefblick ins Veltlin auszukosten.
Der Fussweg ist in diesem Gebiet deutlich aufwendiger ausgebaut als im Bereich der Bergseen. Das liegt daran, dass die Strecke bis in die 1980er-Jahre als Schmuggelroute benutzt wurde. Tabak und Kaffee gelangten damals zunächst offiziell nach Genua, wurden darauf nach Basel transportiert, dort ordnungsgemäss deklariert, dann ins Puschlav verbracht und schliesslich zu Fuss durch das nur lückenhaft kontrollierte Grenzgebiet ins Veltlin geschmuggelt und damit wieder nach Italien gebracht. Auf diese Weise liess sich die zeitweise horrend hohe italienische Mehrwertsteuer umgehen.
Über Alpweiden und durch mehrere kleine Lärchenwäldchen gelangt man zurück zum Rifugio d'Anzana und von dort wieder zur Alp Pescia Bassa. In der Alphütte ist zwar keine offizielle Gaststätte eingerichtet, doch wenn die Älplerfamilie anwesend ist, kann man zumindest auf einen Kaffee einkehren. Vor Ort werden zudem Alpbutter und verschiedene Sorten von Alpkäse verkauft. Besonders lecker ist der Weichkäse Formagella.