Wanderung Engstligenalp - Tälli - Üschene - Kandersteg
Zum «abverheiten» Schmelzbrötli
Wanderzeit: 6 h
Schwierigkeitsgrad: T3 Anspruchsvolles Bergwandern *
Saison: Juni - November
Am Weg von der Engstligenalp nach Kandersteg liegt eine bizarr geformte Felskuppe: Das Tschingellochtighorn bildet den höchsten Punkt des aussichtsreichen Engstligengrats. Der Aufstieg dorthin und der lange Abstieg durch das Üschenetal ergeben eine sehr abwechslungsreiche Tour. Während deren erste Hälfte durchwegs auf Naturwegen verläuft, gibt es im zweiten Teil einige Asphaltabschnitte, die sich zu einem Hartbelagsanteil von 15 % summieren.
Detaillierte Routenbeschreibung
Manch wirklich schönen Berg gibt es. Harmonisch proportioniert und wohlgeformt sind etwa das Stockhorn oder der Niesen, auch der Eiger und natürlich das Matterhorn. Und dann gibt es noch die anderen Berge. Man kann sie nicht gerade als hässlich abtun, doch eine Augenweide sind sie nicht unbedingt. Ein klassischer Vertreter dieser Gattung ist das Tschingellochtighorn. Der felsige Gupf mit dem wenig lieblichen Namen liegt hoch über der Engstligenalp und sieht aus, wie wenn man ihn aufgepumpt hätte und er dann geplatzt wäre. Seine Form erinnert denn auch eher an ein abverheites Schmelzbrötli (oder zu gut Deutsch: ein missratenes Madeleine) als an einen erhabenen Berg.
Doch auch diese Laune der Natur ist ein lohnendes Ausflugsziel, sofern man nicht gerade den Gipfel besteigen möchte. Der ist nämlich überaus brüchig. Wer hinauf wolle, brauche «leistungsfähige Schutzengel», wie es in einem alten Kletterführer heisst. Doch immerhin lässt sich das Tschingellochtighorn auf Wanderwegen umrunden. Auf diese Weise kommt man ihm recht nahe und gewinnt einen guten Eindruck von seiner Beschaffenheit.
Bereits beim Start auf der Engstligenalp hat man das eigenwillig geformte Felsmassiv vor Augen. Ein schmaler Bergweg zieht sich erst auf Weideland, dann über zusehends steiler werdende Wildgrashänge und schliesslich durch felsige Halden in die Höhe. Es lohnt sich, zwischendurch innezuhalten und die grossartige auf den weiten, mit Alpweiden überzogenen Kessel der Engstligenalp und zu dem nochmals eine Geländestufe tiefer liegenden Dorf Adelboden zu werfen.
Einige Dutzend Höhenmeter unterhalb des Tschingellochtighorns gilt es, sich zu entscheiden. Wer den links Richtung Nordosten abgehenden Weg wählt, gelangt zum Schedelsgrätli und kann von dort direkt ins Üschenetal absteigen. Noch etwas attraktiver ist der zweite Weg, der in Richtung Südosten steil zum Fuss des Horns aufsteigt und dessen Südflanke entlangführt. Die Traverse erfordert allerdings Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, denn der Hang ist relativ steil und das Trassee aufgrund der fortschreitenden Erosion abgeschrägt und teilweise nur schuhbreit.
Am Ende der Passage lohnt es sich, einen Blick zurückzuwerfen. Jetzt zeigt das Tschingellochtighorn sein wahres Gesicht: Tritt es von vorne als breite Kuppe in Erscheinung, so erweist es sich nun von der Seite als schmale Rasierklinge – ein klassischer «Ghüderhuufe», der sich unter Einwirkung von Wind und Wasser im Laufe der Zeit selbst zerlegt.
Nun folgt der schönste und eindrücklichste Abschnitt der Tour, nämlich eine Höhenwanderung über den Engstligengrat. Der breite Felsrücken ist zwar kein Pass im klassischen Sinne, weist aber doch den Charakter eines markanten Übergangs vom einen Tal ins andere auf. Während der Blick zur rechten Seite auf die Engstligenalp geht, geniesst man linkerhand grossartige Tiefblicke ins Üschenetal. Dort zeigt sich nach einer Weile auch ein kleiner, himmelblau schimmernder Bergsee: Das Tälliseewli liegt in einer felsigen Mulde zwischen dem Chindbettihorn und dem Felshorn.
Der Abstieg durch das Üschenetal ist lang, aber sehr schön, denn das Tal ist weit und offen. Zunächst geht es auf steilen Pfaden zur Wegverzweigung Tälli und hinunter nach Underbäche. Von dort an verläuft der Wanderweg mehrheitlich auf dem Alpsträsschen, das anfänglich mit Kies bedeckt, später dann streckenweise asphaltiert ist. Zwischendurch wechselt die Route auf Fusswege, die durch das Weideland führen. Über Inner Üschene geht es nach Usser Üschene. Nach der mehrheitlich nur ein geringes Gefälle aufweisenden Talwanderung wird es nochmals steil: Durch den schluchtartigen Einschnitt des Alpbachs steigt man nach Eggeschwand ab (hier besteht die Möglichkeit, per Bus nach Kandersteg zu gelangen, wodurch sich die Wanderung um 40 Minuten verkürzen lässt). Im Talboden der Kander geht es dem Wasserlauf folgend via Käsmilchbrücke und Pfadfinderzentrum zum Bahnhof nahe des Ortszentrums von Kandersteg.