Wanderung Kiesen-Seftigen
Reise durch Zeiten und über alte Grenzen
Wanderzeit: 2 h
Schwierigkeitsgrad: T1 Wandern *
Saison: Ganzjährig begehbar
Unsichtbare Grenzen überschreitet man auf der Wanderung von Kiesen nach Seftigen. Mit dem Aaretal und dem Gürbetal verbindet sie zwei historisch unterschiedlich gewachsene Kulturräume. Rund ein Drittel der Route verläuft auf Hartbelag (die betreffenden Abschnitte liegen mehrheitlich im Siedlungsgebiet).
Detaillierte Routenbeschreibung
Nachdem Napoleons Truppen das Alte Bern von der Weltbühne gefegt hatten, entstand beim Wiener Kongress aus der Asche ein neuer Phönix: 30 Amtsbezirke zählte der um den Aargau und die Waadt verkleinerte, aber um die jurassischen Ländereien des ehemaligen Fürstbischofs Basel ergänzte junge Kanton Bern. Drei davon gingen in den 1979 neu entstandenen Kanton Jura über, mit dem Laufental wechselte 1994 ein vierter zum Kanton Basel-Landschaft. Doch auch die verbliebenen 26 Amtsbezirke gibt es mittlerweile nicht mehr: Sie wurden 2010 im Zuge einer Verwaltungsreform aufgehoben.
Damit ging eine mehrhundertjährige Tradition zu Ende. Mit ihr war nicht nur regionale politische Identität verbunden, sondern auch der eine oder andere kuriose Auswuchs. Einer davon war etwa die Ausgestaltung des Amtsbezirks Seftigen, benannt nach einem Dorf, das mit seinen wenigen hundert Einwohnern so klein war, dass man ihm den Status als Hauptort kurzerhand entzog und auf das ferne Belp übertrug.
Heute zählt Seftigen immerhin etwas über 2000 Einwohner. Der frühere Amtsbezirk ist in die neugeschaffene Verwaltungsregion Bern-Mittelland übergegangen. Seftigen und einige weitere Dörfer an dessen südlichem Ende wurden jedoch der Gegend zugeordnet, der sie geografisch schon immer näherstanden, nämlich der Region Thun und damit dem Verwaltungskreis Oberland.
Auf der hier vorgestellten Wanderung aus dem Aaretal ins Gürbetal brauchen einen solche Dinge nicht zu kümmern – und doch stösst man gegen Ende der kurzen und einfachen Tour auf ein bemerkenswertes Zeugnis einstiger Amtshoheit.
Von der Bahnstation Kiesen gelangt man unter der Autobahn hindurch an die Aare und auf der Jabergbrücke über den Fluss hinweg nach Jaberg hinüber. Im Wald aufsteigend geht es zum Weiler Insel, dann sanft absteigend ins Limpachtälchen. Ein Schottersträsschen führt dem Bächlein entlang; man kann hier so richtig unbeschwert ausschreiten und gleichzeitig die schöne Sicht zum Niesen und zur Stockhornkette geniessen.
Allerdings wird die pfeifengerade Strecke mit der Zeit etwas monoton. Die Abzweigung nach Stoffelsrüti kommt da wie gerufen. Ein Strässchen führt sanft aufsteigend zum Bauerndörfchen. Über Wiesen und durch den Wald geht es mässig steil weiter aufwärts. Beim Blattacker ändert sich die Perspektive grundlegend: Ein schöner Blick auf das Dorf Seftigen öffnet sich, darüber erstreckt sich die Stockhorn-Gantrisch-Kette in ihrer ganzen Pracht.
Durch Wohngebiete steigt man ins Dorfzentrum von Seftigen ab. Kurz bevor man die Hauptstrasse erreicht, passiert man ein adrettes Türmchen, das trotz seiner bescheidenen Grösse als Wahrzeichen von Seftigen gilt. Das Bauwerk war während Jahrhunderten ein architektonisches Zeichen obrigkeitlicher Herrschaft: Genutzt wurde es sowohl als Archiv wie auch als Gefängnis. Aufgrund seiner zierlichen Dimensionen nennt es die Bevölkerung seit jeher nicht etwa «Chefi», sondern bloss «Chefeli». Auf Hochdeutsch müsste man diesen Begriff wohl mit «Haftanstältchen» übersetzen.