Wanderung Kiental-Chilchfluepass-Grütschalp
Menschenleere Ecken im Berner Oberland
Wanderzeit: 7 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: T3 Anspruchsvolles Bergwandern *
Saison: Juli - Oktober
Unter den zahlreichen Alpenpässen im Berner Oberland ist der Chilchfluepass ein verkanntes Kleinod, denn er lässt sich nicht einfach so «machen». Wer sich auf ihn einlässt, muss einen fast achtstündigen Wandermarathon bewältigen, wird dafür aber mit einer urwüchsigen Bergwelt in monumentaler Abgeschiedenheit belohnt. Praktisch durchwegs Naturwege.
Detaillierte Routenbeschreibung
Zwei Bergbäche speisen den Kientaler Talfluss Chiene. Während das südlicher liegende Gornerewasser den Gamchigletscher entwässert und durch das Haupttal fliesst, rauscht der Spiggebach durch das weiter nördlich gelegene Seitental. Gespiesen wird er von etlichen kleineren und grösseren Bächen, von denen die meisten in den Hängen eines gewaltigen Kessels entspringen, der das Tal gegen das angrenzende Lauterbrunnental abschliesst.
Die markanteste Felsformation dieses Talhintergrunds ist die Chilchflue. Als gewaltige Bastion überragt sie die ausgedehnte Hochebene von Hohkien. Sie besteht aus einem breiten Sockel, über dem ein nicht minder wuchtiger Turm aufragt – mit etwas Fantasie kann man in dem eindrücklichen Gebilde durchaus eine Kirche (Chilche) erkennen. Während die Chilchflue für Wanderer unzugänglich ist, grenzt nördlich ein weiter, flacher Boden an sie, den man problemlos überschreiten kann – der Chilchfluepass. Seine Umgebung ist eine einzigartig wilde, abgelegene Landschaft. Entsprechend eindrücklich und erlebnisreich ist die Passwanderung.
Ausgangspunkt ist die Postauto-Endstation in Kiental. Der Anmarsch zum Pass weist eine beträchtliche Länge auf. Zunächst geht es nahezu ebenen Wegs taleinwärts. Im Wald beginnt der Weg zu steigen, und oberhalb einer interessanten, allerdings nur aus Distanz einsehbaren Schlucht gelangt man ins weitläufige Tal des Spiggebachs. Dem munter sprudelnden Bergbach folgt man in sanftem Anstieg.
Von der Wegverzweigung Spiggengrund an nimmt die Steigung deutlich zu. Zuweilen sehr steil, dann wieder sanft aufsteigend gelangt man über Schwand, Gruenerli und Glütschnessli zur weiten Hochebene Hohkien. Hoch über der Alp ragt die Chilchflue wuchtig in die Höhe. Über Alp- und Schafweiden geht es auf schmalen Bergwegen weiter, die sich im Zickzack die Hänge hochwinden. Ein Engpass an einer abschüssigen Balm ist mit Drahtseilen ausgestattet, die das Passieren des Durchgangs erleichtern. Ansonsten bereitet der Aufstieg zum Pass keine Schwierigkeiten.
Anders als manche Übergänge im Gebirge ist der Chilchfluepass keine markant ins Gelände geschnittene Scharte, sondern eine ausgedehnte, mit Geröllfeldern durchsetzte Ebene. Der Übergang ins Saustal erfolgt deshalb nicht mit einem abrupten Wechsel der Szenerie. Vielmehr durchstreift man zunächst eine grossartige Steinwüste, die von spärlichem Grün karg bewachsen ist und von mageren Rinnsalen durchflossen wird. Erst nach einem weiten Bogen um die mächtigen Felsblöcke der Hüenderegg herum öffnet sich der Blick. Auf einen Schlag liegt einem das ganze Saustal in seiner Weite zu Füssen. Als ob man auf den hintersten Rängen einer gigantischen Theaterarena steht, entrollen sich vor einem die sanft abfallenden Höhenstufen des ausgedehnten alpwirtschaftlich genutzten Tals. Im Hintergrund wird das Panorama von der Brienzer-Rothorn-Gipfelkette gekrönt, davor breitet sich die Schynige Platte aus.
Mehrheitlich mässig steil geht es talauswärts über Saus Oberberg nach Sausmatten und von dort durch den Spryssewald zur Grütschalp, wo die Aussicht nochmals eine überraschende Wende nimmt: Zum Abschluss der Wanderung zeigt sich einem das weltbekannte Dreigestirn von Eiger, Mönch und Jungfrau in seiner ganzen Pracht.