Wanderung Harder Kulm - Interlaken
In der Heimat der Berner Oberländer Steinböcke
Wanderzeit: 1 h 40 min
Schwierigkeitsgrad: T2 Bergwandern *
Saison: Mai - November
Auf dem langgestreckten Gebirgszug östlich des Harders kommen heute Steinböcke in beachtlicher Zahl vor. Das war nicht immer so. Vor 200 Jahren war das stolze Wildtier in der Schweiz ausgerottet. Der Harder war wichtiges Pioniergebiet für die Wiederansiedlung. Im Tierpark an seinem Fuss kann man ihnen in natura begegnen. Durchwegs Naturbelag.
Detaillierte Routenbeschreibung
Was für ein Inbild des Stolzes, der Kraft und der Behändigkeit! Steinböcke erklimmen mit unglaublicher Leichtigkeit und eindrücklicher Eleganz schroffste Felswände und unwegsamste Geröllhalden. Seit jeher ziehen sie die Bewunderung der Menschen auf sich. Das bekam ihnen in der Vergangenheit allerdings nicht gut. Man glaubte die körperliche Stärke des Steinbocks nutzen zu können, indem man seinen Körper als Medizin gegen alle möglichen Krankheiten einsetzte. Fast alles, was an den Tieren verwertbar schien, wurde genutzt – vom Blut über die Haare bis hin zu den Exkrementen. Der Steinbock galt geradezu als wandelnde Apotheke. Und weil er, anders als die scheue Gämse, sich aufgrund seiner Kraft kaum bedroht fühlt, ergreift er vor Menschen nur zögernd die Flucht. Deshalb galt er als leichte Beute der Jäger. Dies führte dazu, dass er zu Beginn des 19. Jahrhunderts im gesamten Alpenraum praktisch vollständig ausgerottet war.
Einzig im Aostatal in den italienischen Alpen überlebte ein Bestand von rund 100 Tieren. Obwohl Italien deren Ausfuhr strikte verbot, gelang es Schmugglern anfangs des 20. Jahrhunderts, einige Tiere in die Schweiz zu bringen. In einem Tierpark bei St. Gallen wurden sie erfolgreich aufgezogen. Sie vermehrten sich munter und wurden schliesslich in den Ostschweizer Voralpen ausgesetzt.
Darauf setzten auch im Berner Oberland Bestrebungen ein, den Steinbock wieder anzusiedeln. 1913 wurde der Wildparkverein Interlaken gegründet. Wenig später errichteten die Initianten bei der Talstation der Harderbahn ein Gehege. Darin wurden neben einigen legal erworbenen Tieren aus St. Gallen auch mehrere Schmuggelböcke aus Italien untergebracht. Wenige Jahre später konnten bereits die ersten Kitze hoch oben am Hardergrat ausgesetzt werden.
Der anfänglich winzige Bestand entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer stattlichen Kolonie. Wer heute von Harder Kulm auf das Augstmatthorn wandert, hat gute Chancen, unterwegs einigen Nachkommen dieser Pioniere zu begegnen. Gar nicht menschenscheu, grasen sie auch dann ungerührt weiter, wenn ganz in der Nähe Wanderer vorbeiziehen. Gelegentlich kommt es sogar vor, dass sie sich für ein Nickerchen mitten auf den Weg legen – dank ihrem stolzen Selbstbewusstsein scheint es für sie ausser Frage zu stehen, wem auf dem Wanderweg der Vortritt gebührt.
Die Steinbockkolonie am Augstmatthorn gilt als grösste des ganzen Berner Oberlands. Doch auch in anderen Gegenden der Region kommen heute wieder Steinböcke vor. Es gilt als erwiesen, dass sie alle auf Ahnen zurückgehen, die im Wildpark Interlaken aufgewachsen sind.
Von der Bergstation der Harderbahn gelangt man auf breitem Panoramaweg zum Bergrestaurant Harder Kulm. Der Rummel auf der Aussichtsterrasse weicht beim Abstieg zur Hardermatte rasch einer beschaulichen Stille. Die weite Bergwiese gewährt einen schönen Ausblick auf den Thunersee und zu den umliegenden Bergen, die von der markanten Pyramide des Niesen dominiert werden.
Auf gut ausgebautem Bergweg geht es in angenehmem Gefälle zur Falkenfluh, einem weiteren Aussichtspunkt, der sich oberhalb der Stirn des Hardermanndlis befindet. Praktisch senkrecht fällt der Fels unterhalb des Geländers ab, was ermöglicht, dass man das Siedlungsgebiet von Interlaken und seiner Nachbarorte gewissermassen aus der Vogelschau betrachten kann. Darüber prägt die prachtvolle Gipfelkette von Eiger, Mönch und Jungfrau den Horizont.
Im Abstieg zum Bleikiwald wird zunächst das Trassee der Harderbahn gequert. Danach geht es durch Waldgebiet, eine kurze Weile auch über Weideland, steil abwärts. In etlichen Kehren gelangt man zügig zum Talboden der Aare hinunter. Oberhalb der Talstation der Harderbahn signalisiert ein Wegweiser den kurzen Abstecher zum Wildpark, der sich östlich der Harderbahn befindet.