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Freuden und Ungemach moderner Pilger
15. März 2024

Freuden und Ungemach moderner Pilger

Auf der Via Francigena unternahmen schon vor zweitausend Jahren Gläubige aus England Wallfahrten nach Italien. Der Pilgerweg führt quer durch das ehemalige Frankenreich nach Rom.
Der passionierte Wanderer Joseph Deiss hat ihn vor ein paar Jahren von seinem Wohnort Freiburg aus begangen, jedenfalls dessen südliche Hälfte. Später nahm er den zweiten Teil in Angriff, der ihn von Freiburg nordwärts bis nach Canterbury führen sollte. Darüber hat er einen schönen Reisebericht verfasst: «Als Fernwanderer unterwegs – Begegnungen entlang der Via Francigena», erschienen im Zytglogge-Verlag.
Detailreich schildert der ehemalige Bundesrat Landschaften, Erlebnisse und Anekdoten seiner Pilgertour. Auch Ungemach, das ihm unterwegs widerfahren ist, wird nicht unterschlagen. Sein Fazit: «Was Räuberei, Hunger, prekäre Unterkünfte, ungeeignete Schuhe und Kleidung, holprige Strassen und Betteln für den Pilger des Mittelalters bedeuteten, wird für den Wanderer des 21. Jahrhunderts durch die schikanösen, bürokratischen Weisungen, den Strassenverkehr, städtebauliche Hindernisse und strenge sanitäre Beschränkungen ersetzt.» Die letzte Bemerkung erklärt sich dadurch, dass Deiss zuletzt auch während der Coronapandemie unterwegs war.
Was das konkret bedeutet, veranschaulicht eine unglaubliche Episode in Zusammenhang mit der Überfahrt über den Ärmelkanal: Weil er weder mit einem Auto noch einem Velo an Bord will, weigert sich die Fährgesellschaft, den Pilgrim zu befördern. Begründung: Aus Zeitgründen sei es angesichts der enormen Zahl von Lkws nicht möglich, auch noch Fussgänger zu betreuen. Als Alternative zur 35 Kilometer langen Passage von Calais nach Dover empfiehlt man dem Wandersmann den mehrere hundert Kilometer langen Umweg via Dieppe nach Newhaven.
(Bild: Die Kathedrale von Canterbury; Tilman2007/Wikimedia)